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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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zusammengeschrumpfte Macht Frankreichs auf einmal auferstehen und der gewandte kaiserliche Hochstapler sich auf lange den Beifall seiner ehrgierigen Nation sichern werde, verkannte Otto natürlich nicht. Aber fürs erste galt es, Frankreich als Hebel gegen Österreich zu benutzen. Daß der völlig prinzipienlose, ewig unzuverlässige, uferlos im Strom der Ereignisse schwimmende Manteuffel keineswegs von solcher praktischen Erkenntnis geleitet wurde, dies zu erklären blieb der Zukunft vorbehalten.
    Otto depeschierte lang und breit nach Berlin und gewann Boden für selbstständigen Schritt beider Großmächte, ihre Gesandten in Paris zu re-akkreditieren, in der milde ausgedrückten Voraussetzung, der neue »Herr Bruder« werde den Frieden und die bestehenden Verträge achten. Auf einem großen Staatsdiner, das Otto den »kaiserlichen« Gesandten gab, merkte man freilich bei den Vertretern der Kleinstaaten eine gewisse Verstimmung, daß die Großmächte, ohne sie irgendwie zu Rate zu ziehen, sich mit Paris verständigten. Otto hatte vorgestellt, daß z. B. der blinde König von Hannover sich in seinem Welfendünkel widersetzen werde, so daß die Verhandlung am Bundestag sich zu lange hinziehen würde.
    »31 Uniformen hab' ich zu Tisch gehabt, dies Galadiner müßten Sie mir von Rechts wegen ersetzen, verehrtester Freund!« empfing er scherzend den neuen Präsidialgesandten Freiherrn Prokesch v. Osten, der endlich den unleidlichen Thun ablöste. Letzterer trat jedoch letzthin im Privatverkehr Otto gemütlich näher, seine schöne Frau nahm sich Johannas freundlich an, obschon sie, eine geborene Gräfin Lamberg, eine geborene Puttkamer nur zum allerkleinsten Adel rechnete und als große Dame die ländliche Unerfahrenheit einer pommerschen Landpomeranze bemitleidete. »Pommersche Gänsebrust!« hatte der zynische Thun anfangs gewitzelt, doch die schlichte Würde und Ruhe der norddeutschen jungen Frau nahm für sie ein, und da die hohen Thun-Hohensteins sie patronisierten, so eroberte sie sich eine unauffällige, aber angesehene Stellung in der Gesellschaft. Frau v. Eisendecher, ziemlich tonangebend, wollte nur noch »Nelly« von ihr genannt werden.
    So sahen Bismarcks das gräfliche Paar nicht ohne Trauer scheiden. Den Prokesch kannte Otto schon als früheren Botschafter in Berlin zur Olmützer Zeit, das bedeutete nichts Gutes.Er erwarb sich seine Sporen im Orient und zog sich dort jene Neigung zur Hinterhältigkeit zu, die einst Gneisenau am Seapoygeneral Wellington bemerkte.
    Diese Entente cordiale über Napoleon den Kleinen zerfiel im folgenden Jahre sehr bald. Die ultrareaktionären Regierungen Süd- und Mitteldeutschlands hatten schon im August vor anderthalb Jahren ein äußerst strenges Programm aufgestellt, wie der Drachen der Demokratie in seine Schlupflöcher zu verfolgen sei. Die Hauptwaffe sollte ein verschärftes Preßgesetz werden. Zu aller Erstaunen widersprach der Pressefeind Bismarck.
    »Sie vergleichen doch selbst Ihre liberalen Zeitungen daheim mit einem vergifteten Brunnen«, hielt ihm Oertzen etwas pikiert vor.
    »Solange sie nur Gift hatten, heut haben sie auch Balsam, ihre deutschpatriotische Gesinnung.« Vor seinen vertrauten Untergebenen setzte er auseinander, sich auf dem grünen Sofa an Nanne anlehnend und die Kinder auf dem Schoß: »Nur eine freie Presse kann Österreichs Übergriffe bekämpfen. Wir wollen nicht Sklaven der Demagogie, aber auch nicht fügsame Schüler der Austriaken sein. Bemerken Sie diese neue Perfidie! Preußen soll entweder einen Beschluß des Bundestags ablehnen oder umgekehrt durch dessen Annahme einen neuen Konflikt mit unseren Kammern heraufbeschwören. Unser eigenes Preßgesetz zu ändern, würde die ganze Nation in Harnisch bringen, und sollen wir bei heimischer Gesetzgebung das Volk einfach den Willen der Kleinstaatsouveräne ausliefern? Nichtsda!« Er sprach schon lange vom Volk als einem mitzählenden Faktor, was ihm früher in seiner Parteiwut nie einfiel.
    »Aber eine diktatorische Presse –« warf der Legationsrat Zittelmann ein.
    »Ist mir das kleinere Übel neben einem dominierenden Österreich. Ich werde Ihnen nachher eine lange Depesche an Manteuffel diktieren. Wir stehen gottlob anders da, als die kleinen Herrschaften, die keine Konzessionen machen dürfen, weil sie weder Autorität noch Zuneigung bei ihren Untertanen besitzen. Der König von Preußen wäre noch Herr im Lande, selbst wenn das ganze stehende Heer aufgelöst würde. Wir können uns den

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