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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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»Unmöglich! Herr v. Prokesch hat uns ja selber diese Richtung gewiesen.«
    »Jawohl, ein Doppelspiel, ein durchsichtiges. Er hat Sie verlockt, um andere in schiefe Lage zu bringen. Sie waren ihm nur ein Stein im Schachbrett.« Die Enthüllung einer solchen Tücke, deren getäuschtes Opfer er gewesen, versetzte den dicken Fischer in solche Wut, daß er infolge zu heftiger Invektiven und Drohbewegungen apoplektisch zusammenbrach und die Chaiselongue mit ihm, so daß er auf dem Fußboden alle Viere von sich streckte.
    »Man möchte an der Menschheit verzweifeln«, ächzte er, nachdem er sich erholt. »Was raten nun Ew. Exzellenz?«
    »Daß Sie sofort liberale Konzessionen machen, ehe noch das Verdikt gegen Sie ergeht, damit Sie im voraus die geliebten Untertanen besänftigen. Begreifen Sie?«
    »Vollkommen. Ich reise sofort. Der Fürst wird Ihnen das nie vergessen.« –
    Der unverzagte Prokesch kam bald mit einer neuen Falle. Das Großherzogtum Hessen zeigte sich tiefgekränkt über das englische Asylrecht für politische Flüchtlinge. Es verlangte eine Note an England wegen Mißbrauch des Asyls. Da es sich allermeist um preußische Flüchtlinge handelte, so hoffte Prokesch, Bismarck werde auf den Köder anbeißen. Dieser lachte herzlich im Familienkreise: »Wieder der bekannte Pater Lamormain. Wär' nicht der Einfall usw. Wohl ausgesonnen! sagt Schillers Wallenstein, dem wir ja auch den schönen Spruch verdanken: Dank vom Haus Österreich! Dieser praktisch fühlende Staat würde uns nicht den kleinsten Gegendienst leisten, vielmehr öffentlich behaupten, ihm lägen solche Scherze fern. Ich werde ihm heimleuchten.« Er erklärte daher in der Versammlung: »Preußen hat nichts zu fürchten von der Agitation solcher zweifelhaften Charaktere im Ausland, ein Kleinstaat wie Hessen aber, den dieskonkret gar nichts angeht, hat nicht europäische Fragen in seine Hände zu nehmen, ohne vorher die leitenden Mächte zu konsultieren. Ich lehne jede Beteiligung an dieser inopportunen Sache ab.« Damit fiel sie durch zum Ärger der feindlichen Koterie. Otto erinnerte sich lachend der Puritaner, die Bärenkämpfe verboten, nicht um den Bär zu schonen, sondern um das Vergnügen der Zuschauer zu verkürzen. England beleidigen zu Österreichs Wohlgefallen, ein verflucht kitzlicher Spaß!
    Jetzt warf sich Prokesch auf die Geschäftsordnung des Bundestags als auf ein Mittel, Preußen zu demütigen. Zwischen dem Präsidenten und dem preußischen Vizepräsidenten entspann sich eine unablässige Fehde über die Kompentenzrechte des permanenten Präsidiums. Prokesch wollte den herausfordernden Autokraten spielen, wozu seine jähzornige Reizbarkeit beitrug, doch seine Heftigkeit, die bis zum Schütteln geballter Fäuste ausreifte, zerschellte völlig an der kalten Festigkeit des preußischen Rebellen.
    »Leute mit so cholerischem Temperament und so unzähmbaren Nerven gehören nicht auf den Präsidentenstuhl«, äußerte er mit beleidigender Ruhe im Kreis der Bundestagsleute. »Das trägt nicht zum freundschaftlichen, versöhnlichen Ton bei, den man bei uns erwartet.« Da fast alle Mitglieder unter Prokeschs Vergewaltigung litten und Otto in Formfragen auch für die Kleinstaaten eine Lanze brach, so drückten deren Vertreter ihm oft die Hand mit schweigender Dankbarkeit. Doch die Furcht vor der k. k. Rache trieb sie immer wieder von seiner Seite weg. – –
    Während der Bevollmächtigte am Bundestag als einziger preußischer Politiker mit ehrlicher, fieberhafter Arbeit in Ehren und sauer sein Diplomatenbrot erwarb, balgten sich sämtliche übrigen politischen und diplomatischen Müßiggänger um die Machtfrage, wer am lautesten schreien könne. Manteuffel hatte sich die Literatur Quehl und Konstantin Frantz verschrieben, um mit der Feder seine Staatskunst herauszustreichen. Dies schien dem Kreuzzeitungs-Wagener ein unlauterer Wettbewerb, da nur sein Blatt das Recht hatte, Gesetze zu diktieren. Er blieb der Leibjournalist der hochgeborenen Kamarilla um den König, unter der drei so erlauchte Namen wie Graf Stolberg, Graf zu Dohna, Graf v. d. Gröben glänzten. Ihr Haupt blieb der alte General Gerlach, dem der begabte Flügeladjutant Edwin v. Manteuffel sekundierte. Diese Herrschaften zogen zwar mit dem Ministerpräsidenten am selben Seil gegen liberale Koterien um den Thronfolger, lebten aber in häufiger Meinungsverschiedenheit. Als Sündenbock sollte der bewußte Quehl herhalten. Neid und Wut trieben aber Wagener zu maßlosen Ausfällen

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