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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Haarspalter erschien. »Eine gewisse Macht zur Geschäftsführung à la discretion ist dem Präsidenten unerläßlich. Niemand hätte früher über solche Nichtigkeiten Lärm geschlagen. Trägt es zu gutem Einvernehmen bei, wenn jede Handlung des Präsidiums vom Vertreter Preußens gehässiger Kritik begegnet?«
    Da sich kein Diplomat österreichischer Schule ein Jota um Wahrheit kümmerte, fälschte er sogar die Protokolle. Als ihn Otto bei einer besonders groben Unrichtigkeit ertappte, erhob er seine Stimme: »Wäre das unwahr, so hätte ich gelogen im Namen der k.k. Regierung.« Dabei sah er dem Preußen herausfordernd ins Gesicht.
    »Ganz richtig«, versetzte dieser ruhig, und erwiderte fest den Blick. Prokesch fuhr zurück und blickte sich um, sah aber nur niedergeschlagene Augen und ernste Mienen. Da drehte er sich auf den Hacken um und ging in den Speisesaal, wo die Mitglieder häufig dinierten. Otto überlegte, ob Prokesch ihn fordern müsse. Statt dessen kam dieser mit einem Champagnerglas auf ihn zu: »Ach was, soyons amis, Cinna !«
    »Warum nicht? Doch das Protokoll muß geändert werden.«
    »Sie verlassen Ihren Posten nicht, Sie Unverbesserlicher«, lächelte er entgegenkommend. –
    Eine wichtige Entdeckung lieferte neue Waffen. Ein Gesandtschaftsbeamter teilte mit, daß Prokesch ein altes Schreibpult verkauft habe, das man vielleicht untersuchen könne. »Da gibt es sicher Geheimfächer, wollen nachsehen.« Es war so, und da fand man einen dicken Haufen Papiere. Briefe von Geheimagenten in Berlin, die dort mit der Presse arbeiteten, und Kladden oder Kopien von wütenden Hetzartikeln gegen Preußen, deren Urheber man im demokratischen Lager gesucht hatte.
    »Wollen wir nicht den ganzen Stoß in die Presse lanzieren?« Legationsrat Kilchner rieb sich die Hände.
    »Beileibe nicht! Nur allgemeine Andeutungen, so daß Prokesch sich quälend unsicher fühlt und das Publikum unsere Langmut bewundert.«
    Dagegen erwies sich seine Langmut weniger dauerhaft in einer Schlappe, die er Hessen-Darmstadt versetzte. Dessen Premier, Dalwigk, ein eingefleischter Preußenhasser, stellte im vorigen Sommer plötzlich die Behauptung auf, der preußische Gesandte v. Canitz, dessen Versetzung dorthin aus Spanien Otto selber befürwortet hatte, habe ihn insultiert und müsse abberufen werden. Nun war Canitz ein sanfter, ruhiger Mann von vollendeter Höflichkeit und unbedingter Wahrhaftigkeit, Dalwigks Vorwand daher eine Lüge. »Ich werde Ihnen eine Depesche nach Berlin diktieren«, berief Otto den Legationsrat Kilchner. »Wir müssen ihm mit dauernder Vakanz der Stelle drohen, da ersprießlicher Verkehr unmöglich sei, solange Dalwigk an der Spitze des Ministeriumsbleibt, dieser schnöde Rheinbündler. Aber nicht so, daß wir selbst ausdrücklich die Entlassung verlangen, das würde den Großherzog nur erbittern, sondern wir stellen dem hessischen Geschäftsträger Görtz seine Pässe zu und brechen die diplomatischen Beziehungen ab. Ich bin entzückt, diesem österreichischen Vasallenstaat einen Schlag zu versetzen.«
    Mit Vollmacht dazu ausgerüstet, begab sich Otto nach Darmstadt und zupfte sogleich den Löwen am Bart. Der Großherzog war sehr ungnädig. »Ich liebe nur Diplomaten um mich, die keine indiskreten Fragen stellen.«
    »Diplomaten werden expreß dafür bezahlt, stets zu fragen und zu fragen, bis sie keine Antwort mehr bekommen.«
    »Sprechen Sie mit Dalwigk!« Doch dieser große Mann ließ Otto ersuchen, in zwei Stunden wiederzukommen, und als dieser endlich in seine Höhle eindrang und ihn zu offener Aussprache vor dem Großherzog mitnehmen wollte, lehnte er kühl ab: »Mein Anzug ist zur Stunde nicht passend, um vor der höchsten Person zu erscheinen.«
    Eine zweite Bestürmung der Festung glückte nicht besser. Dalwigk blieb dabei, Canitz habe ihn insultiert, während letzterer auf Ehrenwort es abschwor, und ging in seiner Heuchelei so weit, daß er vor dem Grohherzog sich in die Brust warf: »Wie würde ich Preußen verletzen, für das ich eine besondere Vorliebe habe!« Otto warf ihm einen seiner durchbohrenden Blicke zu und ging. In der Tasche hatte er ein Billett vom Ministerkollegen Dalwigks, Baron Schäffer-Bernstein: »Ich halte einen geheimen privaten Gedankenaustausch zwischen uns für nötig und bitte Eure Exzellenz, unter dem Vorwand eines Jagdausfluges den Wald zwischen Mainz und Darmstadt mit Ihrer Anwesenheit übermorgen mittag zu beehren, wo ich mich einfinden werde.« Dies geschah. Der Herr

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