Bismarck 01
kümmert.«
»Aber, aber! Sie verleumden das echtdeutsche Herrscherhaus.«
»Das aber, wie nicht anders zu erwarten, vornehmlich slawische und vor allem ungarische Wünsche berücksichtigt. Die Frage der Moldau und Walachei geht uns gar nichts an. Wir dürfen uns deshalb nicht mit Rußland brouillieren.«
»Sie drücken meine Intentionen sehr treffend aus«, rief derKönig lebhaft. Er hatte zwar diese Intentionen nur sehr unklar gehabt, aber glaubte jetzt steif und fest an sein geistiges Eigentumsrecht auf diese Idee. »Aber Preußen dürfte doch nicht allein stehen. Der Druck von England wird immer unbehaglicher, und Sie wissen, ich will mit dieser Macht nicht brechen, die übrigens der Thronfolger bevorzugt.«
»Das ist auch gar nicht nötig. Man muß die Westmächte hinhalten. Die möchten gern eine völlige Niederlage Rußlands, um allein in Europa zu schalten. Eure Majestät sollten aber schon in der dänischen Angelegenheit erkannt haben, daß England uns durchaus nicht wohlwill. Und Frankreich erst! Das Rheinufer! Wir haben nicht das geringste Interesse daran, diese Verschiebung des Gleichgewichts zu fördern. Österreich möchte uns in die faule Sache hineinziehen, und was wäre das Ende? Daß es von den Westmächten in seinen deutschen Hegemonieplänen begünstigt würde. Natürlich um allerlei Kompensationen! Ich appelliere an Euer Majestät deutsches Gefühl. Österreich würde sich keinen Augenblick besinnen, deutsches Gebiet an Frankreich zu opfern, und sogar beschränkte Rheinbundtendenzen zu dulden, wenn es nur selbst die absolute sonstige Oberhand in Deutschland hat.«
»Sie sind ein Pessimist, Bismarck, das weiß ich schon lange. Ich fürchte, Sie studieren das abscheuliche Pamphlet Macchiavellis ›Vom Fürsten‹, das mein erhabener Ahne, der große König, so glänzend widerlegte. Sie trauen dem verbündeten Herrscherhause Absichten zu, die – ich will nichts weiter sagen. Aber was wollen Sie denn?«
»Der Vertrag mit Österreich ist vorsichtiger als ich dachte. Er läßt Raum für Zuwarten. Wir sollen gleich 100 000 Mann bei Lissa aufstellen? Nun wohl, sammeln wir sie in Oberschlesien! Da können sie sowohl die österreichische als die russische Grenze überschreiten. Die Österreicher sind in Ostgalizien aufmarschiert, ihnen gegenüber die Russen in bloß auf dem Papier gleicher Stärke. Ihre ganze Kraft ist im Osten gebunden. Das gilt aber auch für die Westmächte, wenn sie ihre Krimexpedition ausführen. General v. Gerlach schrieb mir, daß wir noch freie Hände haben.« Der König runzelte unwillig die Stirn. Der ehrliche Gerlach hatte den Abschluß mit Österreich »eine verlorene Bataille« genannt und befand sich deshalb in Ungnade, denn wenn der König durch einen Minister einen Bock schoß, hielt er an diesem fest, was übrigens in der menschlichen Natur liegt.
»Hm, der Kabinettsrat Niebuhr hat Budberg« (den russischen Gesandten) »in Arbeit genommen und seinen Unmut beschwichtigt. Doch wenn ich Sie recht verstehe, würde man uns, wenn wir Ihrer unmaßgeblichen Meinung folgten, des doppelzüngigen Wortbruches zeihen.«
Otto lachte verächtlich. »Der Dieb schreit: Haltet den Dieb!Gegen solche Anwürfe muß man dickfellig werden. Der Vertrag war natürlich ein Fehler.« Der König rümpfte die Nase. »Er enttäuschte Deutschland und diskreditierte Preußen, denn nun glaubt man, daß Österreich unser Herr sei.«
»Erlauben Sie, mein Bester, das geht zu weit. Hat übrigens Deutschland kein Interesse an den Mündungen der Donau, dieses urdeutschen Stromes?«
»Gar keins. Weit mehr am Adriatischen Meer, Triest und den Jonischen Inseln, die England beschlagnehmen möchte.«
»Und die Drohungen mit einer polnischen Insurrektion?«
»Ein Blech, wie es nur England und Frankreich in ihrer lächerlichen Unwissenheit schmieden können. Kein Bauer in Polen und Galizien würde sich erheben. Auch steht es nicht bei Napoleon, irgendeine Revolution in Deutschland oder Italien zu schüren. Die Völker sind dort vernünftig geworden und denken: Hüte dich vor dem Ausland! Wenn das Ausland mich lobt, dann, Majestät, ist es Zeit, mich abzusetzen.«
»Auf die Art, wie Sie denken, könnten wir ganz aus dem europäischen Konzert hinausgedrängt werden«, klagte der König in kindischer Furcht, als ob er seine Großmachtstellung dem Beistand von Paris und London und nicht dem Ansehen des preußischen Heeres verdanke. Unwahr gegen sich selbst, wollte er dafür wahr und klar nach außen sein,
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