Bismarck 01
wollte nämlich seinen Freund Dalwigk entthronen und sich Preußen als geeignet anbieten. Doch der diplomatische Bürgerkrieg raste fort, und Bismarck trieb das Abbrechen diplomatischer Beziehungen so weit, daß er dem Freiherrn v. Bellinghausen den Darmstädter Hofkalender, der stets zu Neujahr mit dem preußischen ausgetauscht wurde, drevi manu zurücksandte.
Diese Stürme im Wasserglase nahmen sich possierlich aus neben dem Kriegsorkan, der im Osten heraufzog. Es wurde bald klar, daß die Westmächte Rußlands neues Attentat auf die Türkei mit Kriegserklärung beantworten würden. Gleichzeitig erhob Österreich seine Stimme gegen die russische Besetzung der Donaufürstentümer. Preußen befand sich in kritischer Lage, ob es seine ererbte Freundschaft für Rußland oder für Österreich betätigen solle. Der König versprengte den geplagten Otto jeden Augenblick nach Potsdam, so daß dieser sozusagen auf ständige Retourbilletts abonniert war und berechnete, daß er pro Jahr 2000 Meilen Bahnfahrt hin und her bewältigen müsse. SeinHerr legte es förmlich darauf an, ihn in den Geruch eines Strebers zu bringen, der mit Gewalt Minister werden wollte, während seinen Wünschen nichts ferner lag als dies und er ehrliche Arbeit nur in Frankfurt verrichten konnte. Die Gegenentwürfe, die er anfertigen mußte, führten zu nichts, als zu dem vom König beabsichtigten Zweck, Manteuffel zu ärgern. Endlich riß Otto die Geduld, und er bat Gerlach, den er im Berliner Schloß tiefsinnig auf die Spree hinunterstarrend fand: »Erwirken Sie mir Rückkehr nach Frankfurt, ich halt's nicht mehr aus.« Er wußte, daß des Königs Kabinett sich nebenan befand, und hörte diesen denn auch zornig rufen, kaum daß Gerlach zu reden begann: »Er soll in Dreiteufelsnahmen warten, bis ich befehle abzureisen.« Gerlach kam verlegen zurück, und Otto lachte: »Ich habe schon meinen Bescheid.« Schon einmal zeigte sich der Monarch sehr ungehalten, als Otto nicht stehenden Fußes einer Ladung folgte, und ließ ihn kleinlichen Ärger fühlen: »Ich mag ihn nicht sehen, er soll aber warten.« So ließ er sich die Hintertür von Ungnade zu Gnade offen, da seine Gutmütigkeit sich leicht besänftigen ließ und er stets von einem Extrem ins andere sprang, heut launisch empfindlich, morgen übermäßig herzlich. Diesmal hinterließ Otto das Konzept eines Handschreibens, das Friedrich Wilhelm an Franz Josef richten sollte, und betonte zu Edwin Manteuffel vor seiner Abreise: »Verfehlen Sie nicht, Majestät darauf hinzuweisen, der Schlußsatz sei das Hauptstück, auf das es ankommt.« Doch bald genug erfuhr er in Frankfurt, daß man gerade den Schluß austrophil verwässerte.
Um diese Zeit erschien plötzlich Graf Robert v. d. Goltz in Frankfurt bei Otto, mit dem ihn eine ziemlich oberflächliche Jugendfreundschaft, wie man das zu nennen pflegt, verband. Der bedeutend angelegte und hochgebildete Mann hatte im Gegensatz zu seinem Bruder Karl, dem späteren eleganten Generaladjutanten auf Lebenszeit, eine etwas unbehilfliche beleibte Erscheinung und einen häßlichen Kopf mit aufgeworfener Stulpnase, aber breitgewölbter Stirn.
»Hören Sie, Bismarck, ich will gleich mit der Tür ins Haus fallen. Ich lade Sie ein, unserer Fraktion beizutreten. Manteuffel, dieser an Österreich mit Haut und Haar versklavte Liebediener muß weg, oder er wird uns wieder in einen Sumpf hineintreten. Sie stehen so zum König, daß Sie uns wesentlich helfen können.«
»Auf diesem Punkt kann ich Ihnen nicht dienen, lieber Freund. Ich halte den Posten hier im Vertrauensverhältnis zum Ministerpräsidenten, und ich wäre ein unanständiger Kerl, wenn ich das zu seinem Sturz benutzte.«
»Bah, der hält selber niemand Treue und ist mißtrauisch wie ein Wiesel.«
Otto erinnerte sich gewisser Vorfälle, bemerkte aber ruhig: »Müßte ich aus zwingenden Gründen mit ihm brechen, so würde ich ihm das vorher ansagen, mit voller Angabe der Ursachen.«
»Um Gotteswillen! Fore warned is fore armed. Sie sind mir ein seltsamer Diplomat!«
Otto lächelte kalt: »Ja, ich habe meine eigene Methode. Ich wünsche das Verbleiben der Minister Raumer und Westfalen, die viel Gutes leisteten, mag ich auch mit Manteuffel nicht immer übereinstimmen. Sehen Sie, lieber Robert, die Fraktion Bethmann-Hollweg verläßt sich auf die Kammermajorität, die sie sicher bekommen würde, und auf den Thronfolger, den sie an seinem wunden Punkte ›Olmütz‹ packt. Prinz Wilhelm ist einer der besten
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