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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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studieren!«
    »Wie kann man nur!« entrüstete sich Otto würdevoll. »Ich ein Feind Frankreichs, das ich so innig bewundere, dem ich für mein geistiges Leben so viel verdanke! Das kann unmöglich mit Willen der Regierung geschehen sein, denn sie kennt meine glänzenden Beziehungen zu meinem Freund de Montessuy.«
    Freilich kam der Alarmschuß von Moustier. Doch Otto, der natürlich den Artikel des Moniteur sehr wohl kannte – – dies war ein Grund seiner »Badereise« – –, traute Louis zu, daß er immer zwei Bogen auf der Sehne habe und nach dem Rezept des sogenannten Onkels gleichzeitig Peitsche und Zuckerbrot anwenden würde. Die Berichte Moustiers und Montessuys widersprachen einander, also wird erst die eine, dann die andere Auffassung eskamottiert.
    Ein flüchtiger Blick überzeugte Otto, daß die vornehmen Müßiggänger aller Völker hier Musterung passierten, nur keineRussen. So weit gedieh die Entfremdung, obschon sich natürlich unbelästigt Untertanen des Weißen Zaren in Paris befanden. Denn die Maßregel, alle Zivilpersonen einer verfeindeten Nation bis zum Säugling an der Mutterbrust zu »internieren«, blieb einem späteren humaneren Zeitalter vorbehalten, wo man auch mit altmodischen Rücksichten aus Privateigentum gründlich aufräumte.
    *

»Wie geht es unserem Freund, dem Herrn Thronfolger, und seiner herrlichen Gemahlin?« geruhte ihn Ihre großbritannische Majestät auf Deutsch anzureden, eine kleine beleibte Dame mit einem stark geröteten und bei allem gnädigen Lächeln hochmütigen Gesicht, das blaue Band des Hosenbandordens auf der Staatstoilette prangend. Sie sprach übrigens freundlich, während der Prinzgemahl, an dessen Arm sie hing, Otto mit kühler Überlegenheit musterte.
    »Ich danke untertänigst, das Befinden des hohen Paares ist ausgezeichnet.«
    »Und Ihr armer König, der so viel gelitten und so schwere Sorgen hat? Ach, ein so guter und so reichbegabter Mann! Daß er doch bessere Ratgeber fände, die ihn auf seine wahren Freunde verweisen!« Die kleine Dame schielte zu dem Hünen hinauf, der ihr feminin wohlgefiel, dessen Blick und buschige Brauen jedoch etwas Unheimliches hatten. »Wie schön Paris ist, nicht wahr?«
    »Sogar schöner als Petersburg«, das er nie gesehen hatte. Er wußte, sie würde ihn, wie sie wirklich in ihr Tagebuch schrieb, als »ganz russisch und Kreuzzeitung« festnageln. Das paßte ihm, denn er merkte sofort, daß die Preußen in Paris mit besonderer Aufmerksamkeit behandelt wurden, weit besser als die Österreicher. (Begreiflich, Sebastapol wollte noch immer nicht fallen, Preußen blieb eine undurchdringliche Sybille infolge der durch ihn dem König empfohlenen passiven Haltung, und bei der zunehmenden Schwächung der Westmächte durch den mörderischen Krieg konnte man niemals wissen, wenn –! Von der österreichischen Armee hatte man allgemein jene schlechte Meinung, die immer und immer wieder durch Tatsachen widerlegt wird.)
    Der Prinzgemahl flocht einige Fragen ein, die eine verhaltene Ironie durchzitterte. Übelwollen und eine gewisse Neugier sprachen aus seinem kalthöflichen Ton: Dieser Junker haßte England, um daheim die Russenknute einführen zu dürfen, soviel stand fest. Niedrige Beweggründe, doch wohl auch ein bißchen Übergeschnapptheit.
    »Nun, es hat mich interessiert, Sie persönlich vor mir zu sehen.« Damit rauschte sie davon, und Otto hatte den Eindruck, daß der Prinzgemahl und Baron Stockmar ihn als einen üblen Genius verbohrter Rückständigkeit in Lebensgröße gemalt hatten,sie aber mit ihrem weiblichen Instinkt ihn mehr für einen wunderlichen Kauz hielt. Doch jetzt vollzog sich eine wichtigere Vorstellung. Der Empereur mit der Imperatrice schritt die Reihen ab.
    Eugenie Montijo stand in vollster Blüte ihrer zugleich hoheitsvollen und graziösen Schönheit, Augen und Mund bezaubernd, das lange, schmale Gesicht von tadellosem Teint, die Toilette tonangebend für die Mode, obschon etwas zu üppig mit Diamanten überladen. Schönheit konnte man ihrem Herrn Gemahl nicht nachrühmen, seine kurze, dicke Figur mit langem Oberkörper und kurzen Beinen sah besser zu Pferde aus, die Uniform kleidete ihn nicht besonders, und die breiten Goldepauletten erhöhten das Unsymmetrische. Seine Züge hatten etwas Derbes und Sinnliches, wie die des italienischen Monarchen Viktor Emanuel; sein Knebelbart reichte freilich nicht an die martialisch nach oben gedrehte Schnurrbartlänge des Hauses Savoya. Seine Gesichtsfarbe ähnelte

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