Bismarck 01
als handle es sich um einen Vasallenstaat, der Heerespflicht verweigere.
»Die Friedensverhandlungen rücken immer näher«, betonte Malet. »Wie wird Preußen dort dastehen?«
»Mit einer frischen, gerüsteten Armee«, kam die kalte Antwort.
Der Franzose lachte schelmisch. »Das ist immer Ihr letztes Wort. Und was hilft das ohne Bundesgenossen?«
»Oh! Und Österreich?« fragte Otto ironisch. Alle drei lächelten.
»Um diesen Scherz zu übergehen,« fuhr Malet fort, »das übrige Deutschland wird natürlich auf der Konferenz, die vermutlich in London stattfindet,« der Franzose machte eine pikierte Bewegung, da er Paris für den einzig geeigneten Ort hielt, »nur durch Österreich – – und Preußen,« setzte er zögernd hinzu, »vertreten sein. Die Kleinstaaten werden also vorher ein Mandat erteilen müssen.«
»Sehr wahr«, fiel der Franzose eifrig ein. »Die Beschlüsse müssen vorher hier konstruiert werden.«
»Fürs erste kaufen Sie das Fell des Bären, ohne ihn zu haben. Sebastopol fiel noch nicht, und es scheint müßig, jetzt schon vom Ende zu reden.« – –
Mit Prokesch, der Preußen nicht einen Quadratfuß Gleichberechtigung mehr lassen wollte, wurden die Auseinandersetzungen immer galliger. Er hatte jetzt den bayrischen Ministerpräsidenten v. d. Pforten in der Mache, einen im allgemeinen nicht undeutsch gesinnten Mann, der aber gern auf Sirenenlieder von Schlangenzungen hörte. Die Verschwägerung mit Preußen, dessen Königin ja eine bayrische Prinzessin war, diente nur dazu, daß Bayern bei allen Einflüsterungen Österreichs das Einverständnis Preußens als sicher annahm. Otto hatte Prokesch im tiefsten Unfrieden verlassen. Als sie sich wieder trafen, strahlte der Österreicher von geschmeidiger Heiterkeit. Der kannte ihn nicht, der ihm je Verlegenheit zutraute. Völlig frei von jeder Donquichotterie strenger Ehrbegriffe, überhäufte ihn der Gute, immer versöhnlich und immer perfide, mit herzlichen Fragen nach Verlauf seiner Urlaubsreise. In diesem Augenblick schlug es Mittag, und Otto bemerkte, um etwas zu sagen: »Dies markiert genau die Mitte dieses Jahres 55, wir haben heut den 2. Juli.« Auf der Stelle streckte Prokesch seine Hand aus, die in zart himmelblauen Glacéhandschuhen stak, als wolle er damit seine himmlischfromme Denkart veranschaulichen: »Das ist ein Omen. Vergessen wir alle Sorgen und Zänkereien des alten Jahres, und beginnen wir ein neues!«
Überflüssig zu sagen, daß die Auguren dazu nur lachten.Es begann nichts als ein neues Halbjahr, das dem vorigen wie ein Ei dem anderen glich. Um sich zu zerstreuen und die große dortige Industrieausstellung zu besehen, wie er offiziell sagte, in Wahrheit, um die dortige Stimmung zu sondieren, reiste er plötzlich im August nach Paris. Verbindlicher Antrag des preußischen Botschafters Graf Hatzfeld gab den Vorwand. Aha! Der hält mich für Manteuffels seligen Erben und will sich bei mir insinuieren. Gottlob schlug des Königs wohlmeinende Absicht um, zum Minister mag er einen Undankbaren nicht, dem seine todkranke Frau mehr gilt als sein geliebter König und Herr.
Die Frankfurter Kollegen nahmen übrigens keinen Anstoß an diesem Ausflug, den man sonst beargwöhnt hätte. Denn wo es Hoffeste und Galadiners gibt, und hielte sie der Satan selber ab, da muß ein Diplomat von echtem Schrot und Korn dabei sein. Er machte es noch plausibler. Eigentlich wollte er die Bäder in Trouville aus den so beliebten Gesundheitsrücksichten genießen, doch da er den ihm bekannten Fürsten Ratibor und den Hofherrn Graf Redern in Paris wußte, konnte er natürlich dem Drange seiner Freundschaft nicht widerstehen. Der preußische Botschafter Hatzfeld lud ihn zuvorkommend ein, bei ihm zu wohnen, um die Feste mit anzusehen, die man zu Ehren der Königin Viktoria gab, die unter Kanonendonner und Glockengeläut mit acht geführten Pferden vor ihrer Kalesche majestätisch im Schritt einzog. Ihr Koburger Prinzgemahl saß neben ihr in schwarzer Uniform, schön wie ein Eiskönig.
»Das trifft sich glücklich,« empfing ihn Hatzfeld, »man gibt übermorgen in Versailles einen großen Ball, wo die höchsten Herrschaften huldvollst erscheinen werden. Sie wissen, die englische Herrscherin ist hier. Ihr werde ich Sie vorstellen sowie natürlich dem Kaiserpaar. Ich muß Sie freilich aufmerksam machen, daß neulich ein heftiger Ausfall gegen Sie im offiziellen Moniteur erschien, der Sie als einen Feind Frankreichs denunzierte. Man fängt an, Sie hier zu
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