Bismarck 01
gleich drei Dutzend Eier und drei Dutzend Schnäpse kommen!« Das ist so wunderlich, wenn dir die deutsche Nation im Magen liegt! Die wartet nicht auf dich. Was geht's dich an! Den Karren zieht kein Engel aus dem Dreck!«
»Daß laß man gut sein. Wird schon mal einer aufstehen, der mit dem Deibel abfährt!«
»Ach, Herr Bruder sind ein unverbesserlicher Optimist!« lachte der Bemooste. »Die Schwarzrotgoldenen werden den Kohl wohl auch nicht fett machen!«
»Nein, die nicht! Doch vielleicht gibt es andere Wege.« Der Märker sah starr in die Ferne, auf seiner Stirn grub sich über der Nasenwurzel eine tiefe Falte ein. »Na adjes, ich muß morgen nach Aachen weiter!«
»Aachen? O weh!« Der Bemooste zwinkerte mit den versoffenen Schweinsäuglein. »Die Bäder für gewisse Leiden!«
»Laß das dumme Zeug! Ich habe mit so was nichts zu schaffen.«
»Immer noch der keusche Josef? Na, nichts für ungut! Handelt sich wohl um Staatsstreberei?«
»Habe mich zur rheinischen Regierung versetzen lassen, wo man den Kursus in zwei Jahren absolviert, bei uns in Altpreußen dauert's ein Jahr länger.«
»Ach, könnt' man auch so die Semester abkürzen! Willst wohl hoch hinaus?«
Der Referendar stand auf. »Weiß ich's? Auch Umwege führen nach Rom!«
»Gottes Segen, Sela, Amen! Strebsamer Jüngling, wenn du erst an der Staatskrippe sitzest, da wirst du auch viel Wasser in den Wein schütten und den deutschen Herrgott einen guten Mann sein lassen. Deutschland wird weiter schnarchen, wie der famose Dichter Heine singt, und sein Erwachen erleben wir beide nicht. Prost! Ich komme dir die Blume und werde dir einen Bierjungen anhängen, alter Herr!«
»Ein andermal. Adieu!« – –
Der Präsident, Graf Arnim-Boitzenburg, empfing seinen neuen Beamten wohlwollend. »Seien Sie willkommen! Mein Neffe Harry, der Sie ja seit Kindesbeinen kennt, hat mir viel Schönes von Ihnen erzählt. Etwas Original, wie? Nun, das gibt sich mit den Jahren. Ihr Übergang zur Verwaltung nach der bloßen Juristerei wird Ihnen wohltun. Sie treten so in den inneren Kreis der Staatsmaschinerie ein, in wahrhaft bedeutende Verhältnisse, etwas eigenartige allerdings, denn hier spukt der weiland französische Präfekturgeist. Wir werden gottlob damit fertig. Im übrigen finden Sie hier ein bewegtes, internationales Leben im Badeort, das einen jungen Mann lebhaft anziehen wird. Sonst bietet freilich Aachen nichts.«
»Ich meine doch ... das Grab Karls des Großen.«
»Historische Reminiszenzen?« Der Präsident maß diesen sonderbaren Schwärmer mit mißtrauischen Blicken. »Leiden Sie öfters daran, mein junger Freund? Karl der Große selig liegt nun wirklich so lange im Grabe, daß wir ihn als Sage betrachten dürfen wie den hochseligen Barbarossa im Kyffhäuserberg. Um Auferstehung dieser alten Herrschaften kümmert sich ein kgl. preußischer Beamter am besten gar nicht, Träume sind Schäume. Also, Herr v. Bismarck, ich werde Sie beim Abteilungsdirigenten einführen, dessen Ressort ich Sie eingliedere, und begrüße Sie freundlich als Mitglied der hiesigen Regierung.«
– Otto Bismarck hatte sich's nicht nehmen lassen, das legendäre Grabmal zu besuchen, sogar mehrmals. Sein Abendspaziergang führte immer an dieser geweihten Stätte vorbei. Der Mondschein spielte auf dem Platz, der von seinen festen Tritten widerhallte. Mancherlei Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Kaiser Karl war ein Genie, ohne Zweifel, obschon ein grausamer Gewalthaber und im Privatleben nicht tadelfrei. Seltsam, daß fast alle großen Männer dem Laster zuneigen. Da war z. B. Peter der Große, wirklich groß, doch als Mensch ein großes Schwein. Mir ist so etwas unbegreiflich und gegen die Natur. Der Mann hatte doch ein unerschütterliches Ideal, dem er alles opferte: Die Idee Rußland. Sogar den eigenen Zarewitsch brachte er diesem Götzen zum Opfer. Götzen? Gibt es Göttlicheres als die Hingabe an dieeigene Nation und ihre Größe? Nun, der Franke Karl hat deutsche Kraft hoch erhoben, aber sie auch geschwächt. Wozu germanisches Herrenblut zu den Galliern tragen? Dadurch hat er uns einen kriegstüchtigen Nachbarn beschert, der uns so lange den Daumen aufs Auge drückte. Im Grunde hat die französische Revolution uns genützt, indem sie den blonden germanischen Adel meist aufs Schafott schickte. Jetzt blieben nur die schwarzen Rundköpfe zurück. Die Gallier, händel- und neuerungssüchtig, waren allein nie stark genug, den Rhein gegen die Germanen zu halten. Im Elsaß
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