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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Beamten führt nicht solches Ballastgepäck. Hören Sie, mein Neffe Harry kommt nächstens her. Ein gewitzter junger Weltmann, das muß man sagen. Der rückt Ihnen hoffentlich den Kopf zurecht«, brach der gütige Präsident mit wohlwollender Handbewegung das unliebsame Gespräch ab. –
    Der junge Graf Harry, der soeben sein erstes Examen bestand, erschien als eleganter Fashionable auf der Kurhauspromenade, Arm in Arm mit seinem Jugendfreund Otto, den er auf eine abgelegene Bank zog. »Onkel erzählte mir, Sie haben Raupen im Kopf. Sie, der forscheste Korpsstudent, von dem die Witwen und Waisen der Erschlagenen in Göttingen Wunderlieder singen!«
    »Quatsch' nicht so!« unterbrach ihn der ehemalige Mensurenheld unmutig. »Ich werde im Leben nicht Witwen und Waisen machen, selbst die paar Schmisse gereuen mich. Der öffentliche Unfug liegt hinter mir.«
    »So ernst und düster wie ein Mohrenfürst? Na also, dann sind Sie ja schon ein wundervoller Berufsmensch im besten Fahrwasser. Da können Sie es weit bringen.«
    »Ich zweifle, ob ich zum besoldeten abhängigen Staatsdiener tauge. Bei uns muh man jeder Individualität sich entäußern, immer ins gleiche Horn tuten, als Glied einer Kaste durch dick und dünn im ausgetretenen Lehm dahintrotten. Das paßt mir nicht. Herkömmliche falsche Meinungen kann ich nicht teilen, Mißbräuche nicht kritiklos mitmachen. Ihr Herr Onkel ist ein ausgezeichneter Mann ... auch Bassewitz in Potsdam soll so sein ... doch umsonst kämpfen sie gegen ein Unwesen an, die Art unserer Verwaltung, das Herkommen der Vorschriften ist mächtiger als sie. Die Untergebenen hängen wie Pech und Schwefel zusammen, die Obern müssen die Dinge gehen lassen. Vorgesetzte oder Kollegen darf man nicht offen tadeln, und täten sie noch so Unrecht. Warum werden die Behörden schwer bezahlt, da die Subalternen oft lauter unnütze Schreibarbeit verrichten und die Zeit totschlagen! Zeit ist Geld, Arbeitskraft ist kostbar.Aber ich frage mich oft: werden Beamte besoldet, um das Notwendige zu besorgen, oder stellt man sie an, um Geschäfte für sie zu erfinden, damit sie doch etwas zu tun haben?«
    Der junge Graf nahm die Jeremiade sozusagen offenen Mundes entgegen, als könne er seinen Ohren nicht trauen. So ein vorsündflutliches Rindvieh! »Aber, Otto,« begann er mitleidig, »glauben Sie denn wirklich, man wird Beamter aus abstrakter Vaterlandsliebe? Da muß ich Ihnen eine Laterne aufstecken. Die großen Tiere, die als sogenannte große Staatsmänner Furore machen, kennen doch nur eine Triebfeder: die Sucht, berühmt zu werden und zu kommandieren. Die andern, Dii minorum gentium wollen sicheren Broterwerb, weil ihnen das Kapital fehlt, Kommerzielle zu werden oder sonst was Gutes. Egoismus, mon ami , ist das öffentliche Geheimnis von jedermann und Ihre Skrupel, die Sie so rührend vortragen, sollten Sie sich schon an den Kinderschuhen abgetreten haben. Was geht's Sie an, ob der brave Staat das Geld der Steuerzahler für Beamte verplempert, solange Sie selbst Ihr Gehalt pünktlich beziehen? Natürlich,« beeilte er sich geschmeidig zuzufügen, »halte ich Ihren Pessimismus für übertriebene Grillen eines Hypochonders. Unser ehrenfester Beamtenstand ist hoch erhaben über die Anwürfe der Demagogen, die vielleicht,« sein Auge zwinkerte boshaft, »auf Sie nicht ohne Einfluß blieben. Sie sprachen zu einem wahren Freund im Vertrauen, doch empfehle ich Ihnen, teurer Otto, nicht so unbedacht zu plaudern vor minder liebevollen Beurteilern. Die Welt ist schlecht ... o so schlecht! Sie haben keine Ahnung in Ihrem unverdorbenen Gemüt.«
    »Harry, Sie haben ja so recht.« Keine Muskel in Ottos männlichem Gesicht zuckte. »Kommen Sie, wir wollen die alte Freundschaft begießen, hier in der Nähe gibt's einen feinen Rüdesheimer.« Er kann wenig Wein vertragen, dachte er. Diesen Hecht muß ich mir mal näher ansehen, wie er im Karpfenteiche zappelt. Harry Arnim, dem sein Onkel auftrug, dem trefflichen tüchtigen Referendar die Mucken auszutreiben, war mit Begeisterung dabei.
    »Ich gebe zu, Ihre überlegene Weltkenntnis hat viel für sich«, bekannte Otto nach dem dritten Glase Wein, nachdem er von Position zu Position wich. »Die Befriedigung der Eitelkeit ist auch nicht zu verachten. Wenn unsere Brauchbarkeit durch schnelles Avancement gleichsam amtlich ihr Siegel erhielt, wenn man ein wichtiger Mann wird, der alle Scheitel minder Wichtiger im Staube vor ihm sich neigen sieht, so muß dies das Herz

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