Bismarck 01
wie Sie mag dies allens ganz nett sein. Sie scharmuzieren mit die Damens, davon nährt sich Ihre schöne Seele. Unsereins, ein simpler, nüchterner Landmann, will was zu präpeln haben, wenn er bis 3 Uhr nachts tanzen soll. Ist das eine Art, die Gäste verhungern zu lassen!« Es war auf dem Ball eines kleinstaatlichen Gesandten, der es für vornehm hielt, Bälle ohne Speise und Trank zu arrangieren. »Ich lebe nicht von Luft und Liebe, sondern von Butterbrot! So here goes! « Er zog plötzlich eine riesige Butterstulle hervor, drückte mimisch die Leiden eines leeren Magens aus und verzehrte diese Selbstbeköstigung mit feierlichem Nachdruck inmitten des Saales, worauf er auf französisch Abschied nahm.
» Fic donc, mon cher «, lispelte der junge Arnim, ein sehr schöner Jüngling von romantischem Äußeren, Ladiesman bis zur Fußzehe. »Man wird Sie nie mehr einladen.«
»Wenn schon! Ich bin es satt, satter als von einem Butterbrot, die ewige Medisance mit anzuhören. Lauter böswillige Impotenz, viel scheinbare, doch keine wirklich gute Erziehung, Knixe und Reverenzen, doch keine Politesse du coeur , wie wir sie bei uns auf dem Lande pflegen. Ne, Mahlzeit!«
» Il est absolument fou! « murmelte der geschniegelte Graf Harry, indem er sich aufs neue mit unvermindertem Eifer in den ungefütterten Balltrubel stürzte.
Auf einem Hofball, zu dem er als Altadeliger Eintritt erhielt, erschien der junge Jurist aber doch. Neben ihm stand ein Kollege, Auskultator v. Schack, ein Mecklenburger von gleicher Körperlänge. Beide standen sechs Fuß in ihren Schuhen. Soeben machte eine ähnlich hohe Gestalt die Runde. Man hatte Maskenkostüme gewünscht, und dieser hohe Herr wählte die Tracht des Kurfürsten Friedrich I., des Gründers der Hohenzollerndynastie. »Prinz Wilhelm!« murmelten die Umstehenden, als der schöne Mann die Reihen durchschritt und etwas Cour abhielt, liebenswürdige und wohlwollende Begrüßungen und Bemerkungen austauschend. Die mittelalterliche Ausstaffierung stand ihm über die Maßen gut,sein offenes männliches Gesicht trug einen freundlich gewinnenden Ausdruck. Da stachen ihm die zwei baumlangen Juristen ins Auge, deren Auskultatoruniform über ihren Stand nicht in Zweifel ließ. Etwas in der Miene Jung-Bismarcks fiel ihm auf. Er grüßte huldvoll auf dessen tiefe Verbeugung.
»Ihr Name? – Ah, von den Bismarcks! Eine sehr alte gute Familie. Na, die Justiz scheint ihre Rekruten nach Gardemaß anzuwerben. Warum nicht Soldat?«
»Königl. Hoheit verzeihen – das Avancement ist dort zur Zeit sehr ungünstig und schwierig.«
»Das ist wahr. Brillant ist die Karriere nicht. Aber bei der Justiz geht's auch langsam. Ich hoffe Sie mal wiederzusehen, Herr v. Bismarck.«
Otto sah ihm nach: wär' wohl ein rüder Quitzow gewesen, ein rechtes Rauhbein, doch dem Hohenzoller hätt' ich jede Burg geöffnet.
*
Nach Aachen versetzt, fuhr er die rheinische Bergstraße hinauf und machte in Wiesbaden Station. Auf der Promenade im Kurgarten hob er einen Fächer auf, der einer vornehm aussehenden Engländerin entfiel, und beantwortete ihr kühlhöfliches » Thank you « mit einem Kompliment in englischer Sprache. Sie stutzte, und seine weltmännische Keckheit gefiel ihr. »Sie sprechen gut englisch, Sir . Das trifft man selten hierzulande. In England glaubt man, alle Deutschen sprächen Englisch, aber ich finde das nur bei Hoteliers und sonstigen Angestellten. In der guten Gesellschaft kennt man nur Französisch.« »Das ist Pflicht, das Englische nur Liebhaberei.« »Ah! Lieben Sie das Englische?« »Wie sollte ich nicht!« verbeugte er sich mit einem vielsagenden Blick. »Sie sind gewiß ein Gentlemann von guter Familie? Aber gewiß, das sieht man.« Sie prüfte seine Erscheinung sehr ungeniert durch ein Lorgnon, worauf er sich in aller Form vorstellte. Sie nickte huldvoll. »Ich bin Miß Russel und dies ist meine Nichte, Isabella Loraine.« Ein schönes Mädchen neben ihr errötete leicht und ergänzte: »Tante und ich sind auf der Durchreise hier, wir gehen nach Italien, wo Lord Russel uns erwartet. Waren Sie schon dort?« »Noch nicht, das sparen wir Deutschen uns für unsere Hochzeitsreise auf«, lachte er, sich tief verbeugend. »Darf ich die Damen eine Strecke begleiten?« Es wurde eine sehr lange Strecke. Die englischen Damen fanden sichtliches Vergnügen an ihm, verabredeten einen Ausflug in den Taunus und beglückten ihren Kavalier mit vieler Liebenswürdigkeit. Isabella Loraine ließ sich auch
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