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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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schloß Otto. Daß es sich dabei um irrige Übertragung Luthers handelt und Pistis nicht Glauben im theologischen Sinne, sondern Vertrauen auf die Lehre bedeutet, wußte er natürlich nicht. Nachdem er gegangen, putzte Herr v. Puttkamer sorgfältig die Brille ab, die er zur Bibellektion aufgesetzt, schob sie ins Futteral und urteilte bedächtig: »Preisen wir den Herrn für seine Gnade, daß uns dies gute Werk beschieden wurde. Wir dürfen uns wohl schmeicheln, daß von unserem Hauseder christliche Einfluß ausging, der ein verirrtes Schäflein zur Hürde leitete.«
    »Aber scheint er dir nicht in manchem noch heterodox?« wandte die Mama ein.
    »Das wird sich geben. Das Eis ist gebrochen, wie vor seinen Elbdeichen, und das Jordanwasser der heiligen Taufe strömt in sein Herz hinein.«
    Johanna sagte kein Wort. –
    Als er das nächstemal kam, zuckte es ihm in allen Gliedern wie von Lenztrieb, obschon nur späte Herbstsonne das Grün der Hoffnung beschien, das in seinem Innern rauschte. Er traf es gut, traf Johanna an der Gartentür. »Ach, welch ein Idyll, meine gnädige Freundin!« begrüßte er sie herzhaft; seinen zärtlichen Handdruck erwiderte sie schwach. »Weite Felder im Sonnenlicht statt unabsehbarer Wassermassen, wie ich sie im Frühling genießen muß. Und dazu unendliche Ströme dienstlicher Tinte, die ich gähnend vergieße. Solche Tinte ist nämlich grauer als jede andere.«
    Sie lachte. »Ich dachte, Tinte sei schwarz. Schwarz wie die Hölle!«
    »O verleumden Sie nicht das Schwarze!« rief er bedeutungsvoll. »Das hat etwas Majestätisches und Feierliches wie Mutter Nacht. Ich kann mir eine schwarze Sonne denken.«
    »Ach Unsinn! Schwarz leuchtet nicht.«
    »Doch, als poliertes Ebenholz und erstarrte Lava.«
    »Soll das ein Kompliment für uns Schwarze sein?« lächelte sie mit unbewußter Koketterie. »Bin ich so glatt und hart?«
    »O nein, sondern weich und warm. Ich wollte, solche schwarze Sonne könnte hell inwendig in mir scheinen.«
    »Solche Komplimente lieb' ich gar nicht.« Sie preßte streng die Lippen zusammen. Eine peinliche Pause. »Der Herbst hat so viel Poetisches,« lenkte sie ab, »doch stimmt traurig.«
    »Das tut erst recht der Reif in der Maiennacht. Nichts schmerzlicher, als wenn Maienblust verdirbt, auf den man hoffte.« Johanna zuckte leicht. Täuschte sie sich oder blickte er sie wirklich mit unverhohlener Zärtlichkeit an? Sie gingen im weitläufigen Garten auf und ab. Es windete plötzlich.
    »Wie der Wind in den Kronen braust!« hauchte sie, um etwas zu sagen.
    »Ja, bei den hohen alten Föhren und Kiefern. Doch übers Krüppelholz geht er hinweg. Was nicht in die Sturmschicht hineinwuchs, bricht nicht.«
    »Die Wurzeln der jungen Stämmchen stärken sich aber auch«, erwiderte sie aufmerksam.
    »Ja. Erst wenn sie genügende Kraft gewinnen, stellt der Sturm sie vor die Wahl: ausharren oder untergehen.« Er sagte es tiefernst. Sie horchte hoch auf. Wo wollte er hinaus? »Wenn Risse klaffen im Fichtenstamm, so weint er Harz, das lindert undheilt. Doch wenn immer nur Tränen quellen, so trocknen sie den Stamm aus und höhlen ihn, nur eigne Festigkeit übersteht die Zerrissenheit. Harz tränen – welcher Doppelsinn!« Sie erbleichte. Er dachte also an den Harz zurück? Ging ihm die Erinnerung so nahe? Und überhaupt, was mußte dieser riesige Mann innerlich gelitten haben! Einer Tanne glich er zwar nicht, doch einer Eiche, in die irgendwo ein Blitzschlag fuhr, wovon ein dürrer, entlaubter Ast noch zeugt.
    »Sie machen einem ganz trübe, Herr v. Bismarck.« Sie holte tief Atem. »Da lob' ich mir zufriedene Heiterkeit! Ehe Sie kamen, war's hier so hübsch und warm. Finette und ich haschten im Sommer Schmetterlinge um die Wette.« Das Hündchen Finette bellte bei Nennung des Namens lustig zu ihr empor. »Die Blumen dufteten so. Wozu sich das bißchen Sonne vergällen, wenn man Gott und Frieden im Herzen trägt!«
    »So mögen Sie denken, so rein und unberührt von Staub und Qualm! Ach, Blumen welken so leicht. Daß ich's nur gestehe, ich halte nicht viel von heiterer Lebenslust. Nehmen wir die Kunst, die doch ein Spiegel des Lebens und Gemütes sein soll! Erhebt uns das Idyll und das Lustspiel? Das wird auf die Dauer so fad. Frühlingsliedchen für Kinder, Lämmer und Lerchen! Die Schrift sagt: ›Da ich aber ein Mann ward, tat ich ab, was kindisch war.‹«
    »Entschuldigen Sie, ich bin aber kein Mann«, lächelte sie leicht errötend. Er sah sie entzückt an.
    »Gott sei

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