Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
Rüstzeug sein, in Bereitschaft sein ist alles. Cäsar und Cromwell waren in reifem Alter, als sie die wahre historische Bühne betraten, der eine galt als liederlicher Geck, der andere als gewöhnlicher Farmer, halbverdreht durch unverdaute Schwärmerei. Man soll nie verzagen, spät oder früh kommt der nach oben, der »in der Gnade« ist. Nun wohl, gibt es Rüstzeuge – und die Weltgeschichte auf jeder Seite predigt es – dann gibt es einen unerforschlichen Gott, der über uns wacht, gibt es eine persönliche Vorsehung, eine ewige Vorbestimmung. Also ist meine ganze bisherige Weltanschauung ein Wahn, jeder Bibelspruch weiser, als die Kraftstoffelei der Büchner und Konsorten.
    Langsam hob Otto Bismarck sein schweres Haupt und murmelte: »Ich will es mit Gott versuchen!«
    *

Im Herbst einer Einladung nach Ünglingen, dem altmärkischen Gut der Bismarck-Bohlens, folgend, fand er Kusine Karoline, deren unregelmäßige Schönheit von Weltklugheit und Weltliebe neben fraulicher Güte strahlte, in Wehr und Waffen für ihren alten Feldzugsplan. Sie setzte ihm kräftig mit der üppigen Schulenburg zu und schmiedete weibliche Ränke, ihn zu fangen. Er wich aus und bewies ihr deutlich, wie unfruchtbar und steinig der Boden sei, in dem sie ihre Anregung säte. »Glatt wie 'n Aal!« rauschte sie einmal ärgerlich hinaus, als er ihr unzweideutigzu verstehen gab, daß es nichts damit sei. »Sie werden als sauertöpfischer Junggeselle leben und sterben.« Er lächelte in sich hinein. Seine tiefe sittliche Einkehr und die letzten Erfahrungen steigerten seine Gleichgültigkeit gegen erotisch Sinnliches bis zum Widerwillen. Nur eins erkannte er an: die Schönheit des Herzens. Und da stieg langsam, aber sicher und unverrückbar immer das gleiche Bild vor ihm auf.
    Im Spätherbst kam die Zeit, wo er jährlich seinen Wohnsitz wechselte und sich nach Kniephof verpflanzte. Voll heimlicher froher Erwartung fuhr er dorthin und eilte schon nach wenigen Tagen nach Koglizow. Er fand die Familie am Teetisch versammelt, Herrn v. Below-Reddenthin dabei. Man empfing ihn herzlich und unbefangen.
    »In Bütow gibt's Konzert«, berichtige Below. Otto lachte. Auf diesem Landsitz bei Stolp erstickte man ja in Fett und Baumwolle! »Die Idee Bütow als Ding-an-sich ist aller Musik feind.« Frau v. Puttkamer flocht ein, dort gehe es patriarchalisch zu, dies Gut habe die ältesten Dienstboten.
    »Damit kann ich auch aufwarten, meine Gnädige«, betonte Otto mit eifrigem Nachdruck. »Bei uns in Schönhausen gehören Herrschaft und Dienerschaft zusammen wie eine Familie. Ob die Leibeigenschaft aufhörte, änderte nichts an Erblichkeit des Dienstes. Mein Inspektor ist ein Bauernsohn aus dem Dorf, seine Frau die Tochter des vorigen Schäfers. Ihr Bruder, der jetzige Schäfer, und der alte Ziegelmeister überkamen ihre Stelle schon von ihren Vätern. Unser greiser Gärtner starb soeben leider kinderlos, auch er erbte sein Amt vom eigenen früheren Geschlecht. Der Kuhhirt ist auch ein uralter Knabe, der unter meinem Vater diente, als der noch Fähnrich war. Den Vorwerksmeister mußte ich wegen Altersschwäche pensionieren, ebenso den Jäger, beide hatten volle fünfzig Jahre Dienst hinter sich. Der Jäger waltet aber noch heut seines Amtes, sucht mir Hasen für die Küche zu schießen, der arme Teufel mit seinen matten Augen. Die Mägde sind ja Zugvögel, doch auch bei denen gibt es manche, die schon zehn Jahre bei uns dienen.«
    Der alte Puttkamer hörte gespannt zu. »Potztausend, das nenn' ich eine gesunde Wirtschaft. Gefällt mir außerordentlich, lieber Bismarck. So sollte es auf allen Adelshöfen sein und spricht das sehr für Ihre gute Zucht und Sitte.«
    »Ihr Lob freut mich unendlich, verehrter Herr v. Puttkamer. Der Teufel ist nie so schwarz wie man ihn malt, selbst ich habe gute Seiten.«
    »Na na! Daß Sie so freundlich mit uns fürlieb nehmen, scheint mir ein Zeichen für Ihre Gemütlichkeit und Ihr im Grunde gesundes Gemüt.«
    » Les extremes se touchent! « bemerkte Herr v. Below leicht ironisch mit einem Blick auf Johanna.
    » Mais ils se brisent! « ergänzte diese halblaut, indem sie halbden Blick erhob, ihn aber gleich sinken ließ, als Otto dem ihren begegnete.
    »Das ist so eine verwünschte französische Redensart!« fuhr dieser beinahe heftig auf. »So eine Binsenwahrheit, die keine ist. Nach dem Buchstaben sieht's ganz plausibel aus und soll oft dazu herhalten, eine Naturnotwendigkeit zur Deckung eigener Lebenskonflikte zu erfinden,

Weitere Kostenlose Bücher