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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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nicht ab, in seltsamen Widerspruch zu seinem selbstbewußten Teutonentum, das alles Schreiben und Drucken in römischen Lettern verpönte und die alten deutschen Gotenbuchstaben heilig hielt. Seine Neigung für Fremdwörter vermehrte sich durch sein Bestreben, die Braut zum Gebrauch des Englischen und Französischen anzuhalten, deren geläufige Übung er für seine künftige Gemahlin nötig hielt; er wußte selbst nicht warum. Der Wortschatz seiner Muttersprache reichte ihm nicht hin, seiner Johanna genügende Kosenamen zu verleihen. So entstand eine reiche Blütenlese von fremdsprachigen Zärtlichkeitsbezeichnungen, auch spickte er seine Briefe mit englischen und französischen Sätzen ohne jeden Anlaß dazu. »Herzlichste Grüße an deine oder j'ose dire unsere Eltern.« Statt in ehrlichem Deutsch schelmisch zu winken: »In sechs Monaten werden wir wissen, hoff' ich, was wir zu tun haben«, mußte er es englisch seiner »ma trés chére, mon adorée Jeanneton« sagen, die er zur Abwechslung auch »beloved one« anredete.
    Die Gäule seiner Kalesche stampften und scharrten im Schnee, als er wieder einstieg, und bäumten sich wiehernd, als wollten sie ihm ahnungsvoll melden, daß sein Leben jetzt ein rasches Tempo einschlagen werde. Als er sich Schönhausen näherte, drängten sich ihm verstörte Erinnerungen auf, alle schlechten Streiche seines Junkerlebens fielen ihm ein. Nichts Ehrenrühriges, o nein, und keine Weibergeschichten, aber altgermanisches Zechen im Übermaß, angeerbt von soldatischen Ahnen, ein Überschäumen roher, tierischer Kraft, das sein eigenes feineres Empfinden abstieß, ein Vergeuden der Zeit in Bärenhäuterei, auf die er heut mit Ekel zurückblickte. Wollten diese unerquicklichen Bilder sich zwischen ihn und sein neues Leben drängen? Doch er schalt sich verzagt und undankbar. Liebte ihn jetzt nicht ein Engel, dem er sich in Leibeigenschaft hingab? Spürte er nicht bis ins innerste Herz dies Frühlingswehen? Als er in das Dorf Schönhausen hineinkutschierte, flüsterte er unwillkürlich: Heimat! Wie schön das ist, eine Scholle zu haben, wo man durch Geburt und Vermächtnis für immer Boden faßt!
    Die stattlichen Bauernhöfe blickten ihn hell in der klaren Wintersonne an, als wollten sie selber ihn grüßen wie die Bauern mit den langen Röcken und die Weiber mit den kurzen in ihrer bunten Pracht. Alles sah nach Behäbigkeit aus, und dies Wohlbehagen schien aus jedem freundlichen Gesicht zu strahlen, auf dem ein Glückwunsch für den Gutsherrn lächelte, der sich nun endlicheine gnädige Frau holte. Die aufrichtige Anhänglichkeit an diesen erbangesessenen Junker, die allgemeine Beliebtheit, die er beim schlichten Landvolk genoß, mit dem er kordial und verständnisvoll redete wie mit seinesgleichen, kamen zu erfreulichem Ausdruck, der ihm das Herz bewegte. Sein alter Inspektor Bellin, ein wohlgenährter Graukopf, verzog sein dickes, breites Gesicht zu einem herzlichen Grinsen, und er klopfte dem jungen Herrn väterlich auf den Rücken: »Dat war'n mol eine Freude im Land! Nu wird allens jut un' ik bin zufrieden uf meine alten Tage. Na heul' doch nich so, du Dösekopf!« zog er seine Frau fort, die unaufhaltsam schluchzte und sich die Schürze vor die Augen hielt: »Daß wir das noch erleben bei der gnädigen Herrschaft!« Die gewaltige Dogge Odin aber sprang in tollen Sätzen um den Herrn herum und an ihm hinauf, seine nassen Pfoten auf dessen Rockkragen stemmend. »Donnerwetter, Odin, so gib doch Ruhe! Ich weiß selber, daß Tauwetter ist!« wischte sich Otto feuchte Spuren ab und kraute dem guten Tiere im Fell. Auch seine Stute Miß Breeze – auch hier taufte er englisch – benahm sich ausgelassen, als schöpfe sie neue Lebenslust. Als er im Galopp zur Elbe sauste, um den Deich zu besichtigen, dröhnten ihre Hufe auf dem Boden, als wolle sie ihn mit Verachtung schlagen und mit himmlischer Leichtigkeit dahinfliegen wie eine von Liebe jauchzende Seele. Bist du stolz, mein edles Roß, den Geliebten des besten Mädchens zu tragen? lächelte der Glückliche in sich hinein, indem er die Mähne der flinken Miß streichelte.
    Das Thermometer stand auf Null, die trübe, gelbe Elbe schlief noch mürrisch und hörte nicht auf die leise Mahnung des nahenden Lenzes, an ihren Eisketten zu rütteln. Der Deichhauptmann setzte sich nachher an den Schreibtisch und kam sich wie ein Zauberer vor, der aus schwarzer Tintenflasche Geister beschwört mit allerlei Formelspuk, denn auf seine Befehle werden nun

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