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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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nur ein wandelnder Schatten, ein armer Komödiant, der sein Stündlein herstottert, ein Märchen, erzählt von einem Idioten ... traute er der frommen Johanna zu, dies riesenhafte Weltleid zu begreifen? Vorsorglich setzte er hinzu, es seien alte Abschriften aus seiner Schreibmappe. »Sie schaden mir nichts mehr. Thine eyes have still and will always have a charm for me.« Doch des Pudels Kern enthüllte sich in der Bitte, sie möge wenigstens Französisch pflegen und viel davon lesen. Sie könne vielleicht doch in Fälle kommen, wo Unkenntnis des Französischen für sie kränkend sein werde. Ließen sich solche Fälle wie z. B. bei der Frau eines Gesandten denn wirklich denken? Oder war es nur der Trieb, seine Frau auf gleiche Bildungsstufe zu erheben und sie in allem und jedem an seinem inneren Leben teilnehmen zu lassen? Von pedantischer Erziehungssucht war nichts dabei. »Ich liebe dich wie du bist und wie du zu sein für gut findest.« »Dein Wille geschehe.«
    Um diese Zeit erhielt er den Brief eines Neuverheirateten, der seine erste Frau kaum begraben, als er sich auch schon mit einer zweiten nach achttägiger Bekanntschaft verlobte und sie nach sechs Wochen frischweg zum Altar führte. Dieser Geckenhafte und Oberflächliche gehörte jetzt zum Reinfelder Kreis und schrieb plötzlich in urchristlichem Tone über Züchtigung und Läuterung, weil er seiner Ersten keine Stütze ihrer Schwäche gewesen sei. Der Reinfelder Klimawechsel hatte ihm wohl diese Neugeburt des alten Adam angehaucht. Obschon Otto darüber mit einem französischen Witzwort spottete: »Ca va bien, pourvu que ca, dure«, freute ihn doch diese allgemeine Wirkung des Reinfelder Christentums. Dagegen versetzte ihn die schon länger zuvor empfangene Anzeige in tiefe Trauer, daß sein Freund Moritz über den Hingang Marias fast in Irrsinn zu fallen drohe. Seine Braut schilderte ihm beweglich das Seelenleid des Verlassenen, sie weine unendlich um ihn. Otto fordere sie auf, lieber mit starkem Gottvertrauen und frischer, liebreicher Zartheit den Freund zu trösten. Doch er selber beschuldigte sich: was für herzlose Selbstsucht tragen wir alle im Herzen! Marias Verlust schmerzte mich wie der einer lieben Gewohnheit, aber meinem besten Freunde, dem ich für ewig dankbar verpflichtet bin, vermochte ich nicht mal den Trost überströmender Teilnahme zu spenden, sondern langweilte ihn mit ausführlicher Beschreibung meines eigenen Glückszustandes, als habe er nur den einen unschätzbaren Beruf vom Himmel erhalten, mein eigener Beichtvater und Tröster zu sein. Wieungeschickt spielt man Mitgefühlgebärden, wie bleibt jeder Schmerz ein Eremit! Ist meine Brust heut zu voll von einer einzigen Empfindung, als daß sie fremdem Weh Einlaß gewähren könnte? O könnt' ich über Oder, Rega, Persante zu ihr hinfliegen und ihr die ersten Frühlingsboten ans Fenster stellen, Hyazinthen und Krokus. –
    Der Frost hielt an, das Tauwetter blieb aus, die dickgegefrorene Elbe ließ schweren Eisgang befürchten. Otto wollte vor Ungeduld vergehen, er hätte am liebsten Gläser, Flaschen, Fensterscheiben in Stücke zerschlagen, um seiner nervösen Unruhe Herr zu werden. Am 20. Februar sollte »Konvent« der Magdeburger Ritterschaft sein, ein Provinzial-Landtag in Merseburg würde nicht stattfinden, dagegen Leutnant a. D. v. Brauchitzsch als Deputierter nach Berlin reisen. Dann erst kam der Schönhauser von seinen Amtspflichten los und werde dann, Ober- und Unterhaus in einer Person, vor seiner Königin erscheinen, »Oiovanna mia« . Er hatte es jetzt mit dem Italienischen und schrieb einen italienischen Satz, daß er bei Nacht schlaflos die Stundenglockenschläge zähle. Seine finanziellen Verhältnisse konnten ihm keine Sorgen machen, denn Kniephof allein hatte einen Wert von 80 000 Talern. »Gottes Segen genug«, schrieb er der Braut, so daß wir vielen Leuten Gutes tun können. Er redete ihr zu, daß sie vor allem reiten müsse, das sei sie ihrer Gesundheit schuldig, auch ihr schwaches Augenlicht werde dadurch gestärkt werden. Sie hatte ihm geschrieben, daß sie traurig an seine Vergangenheit denke. Da seien ihr allerlei Zweifel gekommen, sie deutete an, daß sie seiner Beständigkeit mißtraue. Sie sei eben zu Mißtrauen geneigt, eine schwache argwöhnische Person. Sie habe irgendwo gelesen, Treue sei das Feuer, das den Kern der Existenz ewig belebt und erhält.
    Das sei, antwortete er ihr, eine neblige Schwabbelei, die nichts Bestimmtes ausdrücke. Für Mädchen,

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