Bismarck 01
macht. Johanna ist die Ruhe. Futsch ist das Talgstümpfchen meiner alten Rechtsleuchte, Charles Savigny Sohn, der hier herumstreicht unter dem Vorwand, er sei mit Hänschen Kleist-Retzow intim. Daß sie Nanne anbeten, zeigt soliden Geschmack, aber Wilddiebe werden gewarnt, hier ist mein ewiges Jagdrevier, und ich bin so frisch und munter wie eine Forelle im Reinfelder Flüßchen Kamenz.
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Damals gab es noch wenig kleine Lokalbahnen, den Verkehr bis Stettin besorgte nur die Post. In Schlawe, wo die Pferde gewechselt wurden, bekritzelte der glückliche Bräutigam einen Zettel an die Geliebte in fliegender Eile, weil ein heller Haufe angesäuselter oder schon arg bezechter Husarenoffiziere ihn begrüßte mit Fragen überfiel und nicht zu ordentlichem Schreiben kommen ließ. Verlobt? Gegen wen? Verliebt, verlobt, verloren! Unser herzliches Beileid... wollte sagen, wir gratulieren. Kein Mensch entgeht seinem Schicksal ewiger Verdammnis. Wissen sie's schon in Stargard und Naugard? Das wird ein Hallo setzen! Der tolle Herr des Kniephofes als Bräutigam, so was jibt's ja jar nich! – So jagten sich die altertümlichsten Scherze. In der Postkutsche machte er sodann Bekanntschaft mit dem Ellenbogen eines sehr in die Breite gegangenen und obendrein mit einem grünen Pelzmantel begabten Hebräers, der ihm eine Abneigung gegen alle Söhne Abrahams einflößte, die selber wie in Abrahams Schoße sitzen und ihrem Nebenmann den Platz wegnehmen. Als er dann unterwegs auf dem Gute seines Bruders ausstieg, stürzte ihm dieser im Schlafrock entgegen und überschüttete ihn mit einer Flut von Hiobsposten, wie schlecht es im Kniephof stehe. »Deine Inspektoren passen nicht auf, liederliche Viehzucht, die Schafe krepieren in Scharen, die Kartoffeln faulen, deine Knechte sind täglich betrunken, deine Brenner eine Bagage, dein Fohlen, das schöne dreijährige Vollblut, hat sich die Beine gebrochen. Du wunderst dich wohl gar nicht über so viel Unglück mit deiner üblichen gottvergessenen Gleichgültigkeit. Es ist eine Heimsuchung. Übrigens siehst du famos aus und deine Herzenswahl billige ich von Herzen, eine recht gute Partie. Altes Haus, ich sagte immer, du würdest noch sehr solide werden. Na, glückliche Reise!« Dies Wiedersehen dauerte nur fünf Minuten, Otto kannte die Bereitwilligkeit seines guten Bruders, des typischen Agrariers, sich einen lieben Gott zuzulegen, der vornehmlich die armen Gutsbesitzer als Zielscheibe seines Übelwollens erkor und ihnen planmäßig Unannehmlichkeiten bereitete. In übler Laune stieg der Postgast wieder in den Wagen zu dem hebräischen Ellbogen, doch als er in die freie Winterlandschaft hinausfuhr, dachte er: Du Undankbarer, was ficht dich das bißchen Ärger an, nachdem du ein Glückgeerntet, das du gar nicht verdienst! In Stettin lief er am Bahnhof mitten in eine Gesellschaft von alten Kameraden hinein, die sich mit Moselwein und Karten die Zeit vertrieben.
»Kondo-, Pardon, gratuliere!« empfing man ihn betrübt. »Feine honette Familie! Doch du Armer, wie wird's dir gehen, wenn man dich über Pauli Briefe an die Korinther und so 'ne ausjefallene Sachen examiniert?«
»Ich bange nicht«, versetzte Otto gelassen. »Ich kenne mich aus in der Bibel!«
»Moses und die Propheten!« Ein junger Offizier in Zivil fiel vor Lachen beinahe vom Stuhl, und Wilhelm v. Ramin klopfte ihm auf die Schulter: »Na, schön, in Reinfeld bei Zuckers würde ich auch so zuckersüß reden, aber daß du deinen ältesten Freunden solchen Bären aufbindest, ist nicht hübsch von dir.« Da Otto keine Händel suchte, verabschiedete er sich artig von den ehemaligen Kumpanen, Abschied fürs Leben.
In Berlin traf er Schwester Malwine hochbeglückt. Sie fiel ihm um den Hals und jubelte: »Wie verjüngt du aussiehst! Du bist ein ganz anderer Mensch als in den letzten Jahren, wo du so grämlich und versonnen warst, fast hintersinnig. Wir alle danken deiner Braut für diese Veränderung zum Besseren!« Doch sein Schwager Oskar Arnim schüttelte den Kopf und fragte verlegen: »Bist du denn wirklich fromm geworden? Ich bin voll Sorgen um dich, lieber Otto.«
»Keine Ursache, ich bin im Gegenteil aller Sorgen ledig.«
»Nun ja, ich begreife, im ersten Taumel ... aber was wird die Zukunft bringen? Ich kenne dich doch genau, und Malle kennt dich seit Kindesbeinen. Nie haben wir an dir eine Anlage zur Muckerei bemerkt. Und nun auf einmal! Ach, mein armer Junge, wenn dir nur nicht die Augen aufgehen, daß du ja gar nicht zum
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