Bismarck 01
Kirchengänger paßt!« Ihm wurde weich ums Herz, und er betrachtete den Schwager ernst und trübe, manches warnende Wort verschluckend, da er den Unglücklichen wohl kaum mehr retten könne. Otto lachte herzlich: »Du bringst dein Mitleid an die unrechte Schmiede, so sehr ich für deine treue Sorge verbunden bin. Verzeiht, ich muß einen dringlichen Besuch machen, habe Aufträge an einen Vetter meiner Braut.«
»Natürlich, die Braut geht vor!« schmollte die Schwester, die er nur so flüchtig sprach. Als er aber Bernhard v. Puttkamer-Versin nicht zu Hause traf, entdeckte er zugleich, daß er sowohl Briefe als Würste der Tante vergessen hatte, zerstreut wie ein richtiger Liebhaber. Am Abend versammelten sich sein schlesischer Freund Schaffgotsch und einige andere schlesische Grafen um ihn im Hotel de Rome und stießen auf das Fräulein Braut an. Der schäumende Champagner machte den langbeinigen Schaffgotsch, einen trainierten Fußgänger und Sportsmann, auf einmal poetisch, und er versicherte: »Kein Rebensaft braust wie junge Liebe, die Traube von Sillery ist nicht so süß wie ein Liebchen.
Es lebe die Schönheit, die unsern Freund in Fesseln schlug!« Als freilich Otto eine schwarze Silhouette Johannas, wie man sie damals an Stelle der heutigen Photographien auszuschneiden liebte, am Tisch herumreichte, trat kurze, verlegene Stille ein, die man mit Durcheinanderreden verdeckte. Etwas Besonderes konnte man wirklich am Profil dieser jungen Dame nicht finden, und doch hatte sich jeder vorgestellt, der famose Otto Bismarck müsse etwas Hervorstechendes wählen. Eine Kunstreiterin z. B. oder sonst eine standesgemäße Amazone hätte man passender gefunden. Auch bemerkte ein Graf, der etwas hatte läuten hören, zaghaft: »Hab' ich recht gehört, das gnädige Fräulein und deren Familie beschäftigen sich viel mit der Bibel?«
»Das tu' ich auch«, erwiderte Otto ernsthaft, worauf alle lospusten wollten, aber auf halbem Wege steckenblieben, als sie in sein ruhiges Gesicht blickten. Man brach höflich ab und unterhielt sich von alten Tagen, als Otto, Referendar oder freiwilliger Gardejäger, sein Wesen trieb und jeden Samstag abend nach Berlin kneipen ging. Die jungen Lebemänner sahen sich kopfschüttelnd verwundernd an, als der Bräutigam von dannen ging, und meinten: »Sehr kluge Leute bekommen manchmal wunderliche Anwandlungen. Da rappelt's ein bißchen. Die Liebe, ja die Liebe hat ihn so weit gebracht!« sangen sie im Chorus und bestellten eine frische Bouteille. –
Nun adjes ooch, Berlin! Jetzt werden wir wieder biederer Ackerbürger. Postmüde und froh, daß bis zur Elbe die Bahn regierte, staffierte der Deichwart sich für sein Amt aus, im langen, grauen Friesrock, die Otterfellmütze in die Stirn gedrückt, zwischen Jerichow und Havelberg die Ronde abzuwickeln.
Ich komme nicht mehr in den rechten Ton mit meinem einstigen Umgang! dachte Otto, als er am Freitag morgen nach Jerichow fuhr. Die seichte Jugendheiterkeit hab' ich für immer begraben. Mir ist, als ob nun wirklich ein neuer Abschnitt meines armseligen Lebens beginne. – Zu seinem Verdruß trat das Hochwasser noch gar nicht ein, er ritt über das Elbeis, das ihn noch trug. Natürlich, heut ist Freitag (der 29. Januar), an dem Unglückstag begegnet mir immer Pech. Recht gut hätte ich noch tagelang bei meiner schwarzen Sonne weilen können, an ihrer grünen Seite.
Der Schnee fiel dicht auf die weiße Landschaft, während diesseits Brandenburg eine vorzeitige milde Frühlingsluft geweht hatte und die Ackersleute auf dem Felde pflügten. Hier aber fiel ihn drückende Winterstimmung an, ein Echo der einstigen Herzenseinsamkeit. Das Elbeis besaß noch genügende Dicke und Festigkeit, das Wasser kam noch nicht, und bis es dann später verlief, konnte er nicht nach Norden zurückeilen.
»Deine Blume der Wildnis«, hatte sein Vetter Theodor ihm das Kompliment gemacht, »muß einen holden Duft haben. Du siehst aus wie Frühlingsanfang.« Doch die Lenzknospen in seinesHerzens Frühlingswetter schienen zu erstarren, als er auf die alte öde Eisfläche seiner Vergangenheit schaute.
Er patroullierte pflichtgetreu die Gegend ab und brauchte kurzen Aufenthalt in einer unwirtlichen Schenke, um auf einem Zettel groben Papiers, den er mit Mühe auftrieb, einen Gruß zu senden an »Angela mia« . Da er Küsse nicht schreiben konnte, drückte er seine Lippen auf das Papier und unterzeichnete sich: » Sans phrase der Deinige«. Ohne Fremdwörter ging es bei ihm
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