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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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die nur durch die Brille der Dichtersleute das Leben kennen, werde solche Poesie gefährlich am wehenden Prüfstein der Wirklichkeit. Mit überlegener Gelassenheit setzte er ihr auseinander, daß die Zeit ihr Mißtrauen heilen werde, angesichts seiner vollkommenen Ehrlichkeit. Er selbst traue fast keinem ohne Beweis des Gegenteils, zu ihr aber habe er ein unerschöpfliches Vertrauen, durch nichts zu erschüttern. Er wolle sie aber weder belehren noch bessern wie ein Schulmeister.
    Sie schrieb ferner, daß ihre damals heitere Stimmung in die nämliche Schwermut umschlug, an der er früher litt. Todeselende Gedichte wie die von Lenau sprächen sie fast am meisten an, vielleicht habe die Gesundheit ihrer Seele Schaden gelitten. Das bekümmere ihn gar nicht, antwortete er, das sei ein Fortschritt im empfänglichen Aufnehmen der Poesie, deren Verständnis man nicht aus unschuldigen Frühlingsahnungen, sondern durch Blitzgewitter gewinne. »Tief in der menschlichen Natur, an derunbewußten Erkenntnis irdischen Elends und Jammers«, liege die Neigung zum Trauerspiel in Bühne und Wirklichkeit. Er verbreitete sich geistvoll über dies Thema in ebenso gedankenklaren wie formschönen Sätzen, um die der beste Schriftsteller ihn beneiden konnte. Das alles schrieb er spielend und hastig herunter, zwischen Dienstgeschäften, ohne sich im geringsten über die außerordentliche Begabung klar zu werden, die aus jeder Zeile, aus jedem Worte sprach.
    Mal langweilte ihn der Landrat von Alvensleben einen langen Vormittag, mal marschierte eine Justizkommission bei ihm auf, bestehend aus Stadtrat, Amtmann, Aktuar, zwei juristischen Beisitzern nebst Pfarrer und Schulrektor, da es sich teilweise um Interessen der letzteren handelte.
    »Mein abtrünnig renitenter Amtsbruder Uhlich wird sich dem Konsistorio in Magdeburg für seine liberale Ketzerei verantworten müssen«, brachte der Pfarrer bei der Mittagstafel eine schwebende Angelegenheit aufs Tapet.
    »Man spricht davon«, ging Otto darauf ein. »Man will ihm über sein Kredo gewisse bestimmte Fragen vorlegen.«
    »Und ihn dann suspendieren«, bekräftigte der Seelsorger mit nicht sehr christlicher Schadenfreude.
    »Ein solcher Schritt kann ernste Folgen haben. Unser öffentliches Leben ist schon so aufgewühlt, daß wir nicht noch religiösen Hader brauchen. Das gießt Öl ins Feuer. Indessen ich billige von Herzen, wenn das Konsistorium mal energisch auftritt und nicht in Halbheit steckenbleibt.« Vor einem Jahre noch hätte der Schönhauser Gutsherr lau genug zu solchen Kirchlichkeiten sich verhalten. Unter dem Einfluß der Reinfelder betrachtete er heut die Orthodoxie mit Wohlwollen, beglückte sie mit seiner Anhängerschaft. –
    »Ich muß eilig zurück, Otto, deine Schwester sieht ihrer Entbindung entgegen«, verabschiedete sich sein Schwager Arnim von ihm, der ihn in Schönhausen besucht und nach Magdeburg begleitet hatte, wo Otto unter anderen seinen Freund v. Gerlach treffen wollte. Er kam aber nicht dazu, mit Konferenzen und Terminen von Regierungs wegen überhäuft. Da ihn das Schweigen von Moritz Blanckenburg beunruhigte, so benachrichtigte er die Braut, daß er auf der Reise zu ihr sich ein paar Tage absparen müsse, um persönlich den Freund durch seine Gesellschaft aufzurichten. Auch Johannas Schelten könne ihn daran nicht hindern. So siegte sein im letzten Grunde treues gutes Herz über eigene Leidenschaft und zufriedene Selbstsucht.
    Auch stellte er der Braut vor, daß der Geiz, die Wurzel alles Übels, gegen seine zu frühe Lustfahrt in der Liebsten Arme protestiere. Ihn reuten die dreißig Taler Reisekosten, da wegen des harten Winters großes Elend herrschte. Nicht in seinen eigenen Dörfern, wo er dagegen einspringe, doch im Städtchen Jerichow, wo er sich der Armenpflege befleißige. Doch wenn sie befehle,so werde er sich sophistisch herausreden, daß er nicht zu seinem Vergnügen, sondern aus Pflichtgefühl gegen die Braut so handle, und die Armen sollten gleichwohl nicht zu kurz kommen und den Reisebetrag erhalten. Dies praktische Christentum bäumte sich aber jetzt schon gegen die pommersche Bigotterie auf. Denn indem er nach einer Korrespondentin Johannas frug: »Noch 'ne Kusine? who the devil is Pauline ?« wies er ironisch darauf hin, daß in der Bibel nirgendwo ein Mißbrauch des Teufelsnamens verboten sei. Seinen langen Brief, der ihm nüchtern vorkam wie eine Justizkommission, würzte er am Schlusse wieder mit fremdsprachigen Gedichten, einem

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