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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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sich Napoleon keineswegs so freundlich, wie man gerechnet, sondern bezeichnete diesen Staatsakt als Raub in einer Zirkularnote. »Ich muß versuchen, ihn persönlich umzustimmen,« stellte Otto seinem Herrn vor, der jedoch davon nichts wissen wollte.
    »Die Würde der Krone erlaubt dies erst, wenn Frankreich seine verletzenden Ausdrücke zurücknimmt.« Auffallenderweise ließ Napoleon sich dazu herbei, und der preußische Minister brach eilig nach Biaritz auf, natürlich unter dem Vorwande, seine Gesundheit bedürfe dieser Bäder, die ihn schon zweimal kräftigten.
    *
    Als in Baden der Musiker Joachim, der seine Geige »wunderbar gut streichelte«, und das Gräflich Flemmingsche Ehepaar ihn mit süßen Tönen einlullten, hatte er wirklich an die mondbeglänzte Zaubernacht von Biaritz und Kathi Orlows Spiel gedacht. Aber als er am 20. Oktober in der wohlbekannten Station ausstieg, sah er wenig mehr von den Reizen dieser himmlischen Natur. Er kam sich vor, als säße er noch am 20 Fuß im Durchmesser kreisrunden, grünbehangenen Bundestagstische und höre das grämlich eintönige Plätschern des Redeflusses. Ein Strafgefangener, der seine Galeerenkette mitschleift, wird man ein Sklave des Amtes, dem man nie entrinnt. Eine hübsche Badekur wird das hier werden! Ich muß irgendwie Napoleon Sand in die Augen streuen. Soll ich vielleicht den wilden Mann spielen, den ungeleckten Bären voll polternder Aufrichtigkeit? Die Rolle liegt mir ...
    Napoleon empfing ihn kühler als sonst, was Otto nicht zu bemerken schien. Früher in Paris hatte man ihn in zeremoniöser Haltung gesehen, jetzt schlug er einen lauten, fröhlichen Ton an wie ein Schulbub in den Ferien. Es fiel nicht als unnatürlich auf, weil es zur freien Naturumgebung paßte.
    Der Kaiser, immer in Zivil, doch in elegantem Gehrock, den glattgebürsteten Zylinder auf dem schweren Haupte, sah manchmal, wenn sie zusammen promenierten, verstohlen von der Seite zu diesem burschikosen Nordlandshünen auf, in salopper Joppe, einen zerknüllten, riesigen Filzhut übermütig aufs eine Ohr gestülpt. Sein dröhnendes Lachen hatte etwas Ansteckendes, er sprach laut und lärmend, schien sich völlig gehen zu lassen und setzte die Badegäste durch seine endlosen Fußtouren in Entsetzen, wenn er schweiß- und staubbedeckt zum Strande zurückkehrte. Nur an der kaiserlichen Tafel legte er den schwarzen Leibrock und die weiße Binde an. Sonst hielt sich alles auf über seine unvorschriftsmäßige Kleidung, sein völliges Verleugnen jeder Gêne, als ob er sich allein auf einer fremden Insel befinde.
    »Er hat aber doch die Allüren eines großen Herrn«, urteilte der geistvolle Schriftsteller Prosper Merimée, der sich beim Kaiserpaar besonderer Beliebtheit erfreute und zurzeit bei Napoleon den Rang eines Vertrauten und befreundeten Günstlings einnahm.
    »Finden Sie? Ja, er ist ein reizender Mensch, doch seine Politik ist nicht immer reizend.« Im Deutschen hätte er das Wortspiel hinzufügen können: »aber sie reizt«. Otto tat so, als vermeide er am liebsten politische Gespräche, froh, endlich Ferien zu haben. » Mais il est fou !« wisperte Napoleon seinem Vertrauten zu, auf dessen Arm er lehnte, während der lange Preuße zu seiner Linken allerlei Schnurren erzählte, Steine in die Brandung warf und mit dem Spazierstock Fechterstreiche in die Luft beschrieb. Daß er nicht die Marseillaise oder ein Kommerslied anstimmte, nahm wunder. Merimée antwortete nicht und schüttelte leicht den Kopf. Abends schrieb er an seine Geliebte (»Briefe an eine Unbekannte« hieß die Sammlung nachher im Druck): »Er hat mich ganz gewonnen, wie er auch den Kaiser bezauberte durch seinen Freimut und den Charme seiner Manieren.« Doch die politische Bezauberung ging nicht so glatt von statten. Napoleon schmollte.
    »Unter uns, mein Lieber,« warf er hin, »Sie haben uns eigentlich dupiert, und niemand liebt so etwas.«
    »Ich fühle mich ganz unschuldig, Sire. Sie zielen darauf hin, daß ich früher nie von Möglichkeit einer Annexion sprach? Natürlich nicht, denn ich dachte ja nie daran.«
    »Dann haben Sie ein merkwürdiges Unglück, denn wenn man sich zwei und zwei zusammenzählt, kommt man zu der Rechnung, daß Sie allerlei Theorien aufstellten – von Rückgabe an Dänemark bis zu selbständigem Kleinstaat – und dabei, praktisch immer, auf etwas anderes lossteuerten, was wir da jetzt vor Augen haben.«
    »Mein Gott, Sire, die Ereignisse wuchsen mir über den Kopf. Und dann unsere

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