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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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tiafs Gemüet. Wer wie Otto immer in den »höchsten« Kreisen verkehrt, bekommt einen seltsamen Begriff von Geschichte, die sich vor dem Forum der Nachwelt ganz anders liest. Das Edelweiß wächst nur auf Höhen, doch das Edelweiß der Wahrheit wächst eher in sozialen Niederungen. Wer also wie Otto ungetrübten Blick bewahrt, gerät in steten heimlichen Zwiespalt. Die höfische Atmosphäre verschwistert sich nie der freien Gottesluft da draußen. Mürrisch schrieb er an Nanne aus Ischl, wo es eitel Freundschaft und Einigkeit schien: das Hofleben strenge noch mehr an als die Geschäfte. Aus der politischen Wüstenei blicke er wie ein nächtlicher Wanderer nach dem Lichte der Herberge, nach dem häuslichen Herd.
    Der Kaiser in seiner weißen, goldstrahlenden Uniform und den scharlachroten Paradehosen führte die schöne, junge Kaiserin am Arme, deren merkwürdige und unheimlich liebreizende Augen an den bayrischen Thronerben erinnerten. Doch der schlichtere König Wilhelm sah entschieden am vornehmsten aus. Von der Kaiserin Elisabeth sagte man, daß sie nur für zwei Dinge schwärme: die Ungarn und Heinrich Heine, beides recht verfängliche Gegenstände für ein k. k. Herz. Wenn ich den Namen Ungarn hör', wird mir das deutsche Wams zu enge, hatte der nämliche deutsche Verbannte gesungen, den nun fern im Père Lachaise der Rasen deckte. Und doch wußte er von Ungarn nichts als die toll übertriebenen Heldenmärchen der ungarischen Revolution. Werden die Deutschen, Männlein und Weiblein, nie vernünftig werden? Wenn sie nicht Franzosenaffen sind, müssen sie sich ausgerechnet für Ungarn begeistern, das ihnen das schöne Sprichwort aufklebte: »Der Deutsche ist ein Hundsfott.« –
    Aus Baden-Baden schickte er Nanne zwei Aufnahmen, die ein taktloser Photograph ihm abgenötigt hatte. Die damals regierende Primadonna Lucca, die sich einen v. Rhoden als Ehemann gekauft hatte, eine kleine, dicke, muntere Person, drängte sich an den hochmögenden Ministerpräsidenten an und hing sich an seinen Arm, was er gutmütig geschehen ließ und in Badelaune scherzte. Solch ein historischer Augenblick, wo zwei solche Berühmtheiten zusammenstanden, durfte ein Geschäftsmann sich nicht entgehen lassen: schwupp war die Photographie da, wozu Otto jovial und arglos Beifall nickte. Wie ward ihm, als er bald darauf durch eine salbungsvolle Epistel des Predigers v. Roman, eines Jugendbekannten, das Ärgernis erfuhr, das er damit allen gottseligen Kreisen gegeben habe! Das kommt davon, wenn man gottlos sich den Lüsten dieser Welt hingibt und sieben Monate in kein Gotteshaus ging, worüber man treulich Buch geführt hatte!
    Jetzt wurde er auch noch nach Koburg gehetzt, wo Ihre Großbritannische Majestät eintrafen. Großes Familienkonklave. Der Kronprinz in seiner hellblauen Dragoneruniform mit gelbem Kragen, später mit weißem Kürassierkollet seines Leibregiments abwechselnd, sah sehr gut aus. Ein blauäugiger Germanenrecke mit langem, blondem Vollbart und dabei sanftmütig und friedfertig wie jeder deutsche Michel, soweit es Kriege betraf, die er von ganzer Seele verabscheue. So beteuerte er seiner Schwiegermama, in deren Kolonialreich der Krieg sozusagen nie aufhörte und die selber für den blutigen Krimkrieg sich begeistert hatte, aber in Deutschland als die edle Pazifistin jeden Krieg verbat. Denn man unterscheide wohl: Kriege von schnöden Kontinentalen sind sündhaft, dagegen Englands Kriege höchst tugendhaft und geradezu menschenfreundlich. Es geht dabei schmerzlos zu wie bei bewährten Zahnausreißern, man merkte es kaum...
    Bald mußte er der Übernahme der neuen preußischen Landschaft Lauenburg beiwohnen, wobei der König auf einem Thronsessel seinen Minister neben sich stehend hatte. Und zwar hieß dieser jetzt Graf, denn Mitte September erhob ihn der Monarch in diesen »Stand« als Lohn so »hoher Verdienste«, da Preußen durch seine »Umsicht und Einsicht« endlich eine Stellung einnahm, »die seiner Geschichte würdig ist«. Otto sträubte sich anfangs mit komischem Schrecken: »In Pommern sterben alle Grafen aus, und ich bin doch ein halber Pommer. Man nennt dies abergläubisch, doch ich hänge nun mal daran, habe es vielleicht von meiner Mutter geerbt. So vollziehe ich z. B. Freitags kein wichtiges Geschäft. Mag man mich auslachen, ich habe nun mal die Antipathie.« –
    Die Veröffentlichung des Gasteiner Vertrages erregte natürlich allgemeine Aufregung. Während Lord Russel von »brutaler Gewalt« sprach, zeigte

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