Bismarck 02
längs dem Strich marschieren.« Der König lächelte liebenswürdig, ohne an der brüsken Art Anstoß zu nehmen. Unser guter Blumenthal, ein höchst brauchbarer Mann von großem Werte, liebt die starken Worte und meint es nicht so ernst. Otto sagte kein Wort. Er beachtete Blumenthals Ärger, wenn die Mitglieder vom Hauptquartier ihm herablassend gratulierten, doch einige Rügen durchblicken ließen. Er las auf dem Gesicht des Feldherrn den Unmut über diese wichtigen Gesichter. Ihm waren diese Stabsgelehrten auch schön odiös, er las Blumenthals Urteil ihm ab: »Schwatz über Dinge, von denen sie absolut nichts verstehen.« Letzterer fuhr jetzt eilig ostwärts. –
Gegen abend änderte sich das Bild. Denn drei verschiedene Offiziere meldeten von Auskundungsritten, daß mindestens vier feindliche Korps noch diesseits der Elbe und vorwärts von Königgrätz bei Lipa und Sadowa ständen. »Will der Feind zum Angriff übergehen? Wo stehen die übrigen Korps?« fragte Friedrich Karl leidenschaftlich. »Wir müssen ihm sofort zuvorkommen.«
»Wollen also Königl. Hoheit die Konzentrierung Ihrer Armee für morgen früh bestimmen?« fragte Voigts-Rhetz. »Die Elbarmee würde zur Deckung Ihrer Rechten auf Nechamitz vorgehen. Aber die II. Armee schon zu disponieren, wäre wohl vorschnell, vorerst wird sie gegen Josefstadt sich ausbreiten, wie ich denke.«
»Eine Verbindung mit uns muß über Königinhof hergestellt werden mit der Garde. Ich will sofort in diesem Sinne an den Kronprinzen schreiben. Den General Herwarth wollen Sie beauftragen, um 3 Uhr früh aufzubrechen. Wir gehen bei Tagesanbruch gegen die Bistritz vor, ich will unter allen Umständen angreifen.«
So erfuhr Otto nachts, aus dem Schlafe geweckt. Voigts-Rhetz erschien nämlich persönlich in Gitschin, um die eigenmächtigen Maßregeln seines Chefs darzulegen. Es war schon 11 Uhr, alles schlief, doch der unermüdliche Königsgreis war sogleich bei der Hand. Kaum hatte er den Vortrag angehört, als er auf der Stelle zusagte und persönlich alle Befehle ausfertigte, den Kronprinzen zu sofortiger Ausführung brieflich anwies. Das schlug natürlich anders ein als das Handschreiben Friedrich Karls, das Blumenthal beiseite schob. Der König selber , nicht Moltke, hat die Schlacht geliefert. »Waren Sie schon bei Moltke? Benachrichtigen Sie ihn!« Major Verdy weckte Moltke, dessen feinziselierter Kahlkopf ohne Perücke sich glatt wie eine Billardkugel ausnahm. Sonst sah ihn kein Sterblicher je in perückenloser Nacktheit. Der König, Roon und Bismarck eilten herbei.
»Einen bloßen Halt auf dem Rückzuge bedeutet dies wohl kaum. Es scheint natürlich möglich, daß das übrige k. k. Heer schon den Uferwechsel vollzog und hinter Königgrätz steht. In diesem Falle würde der diesseits befindliche Teil durch umfassenden Angriff von uns über die Elbe geworfen werden, was die spätere Forcierung der eigentlichen Elbstellung zwischen Josefstadt und Königgrätz erheblich erleichtern würde. Wahrscheinlich steht noch das ganze Heer diesseits in vielleicht gut ausgewählter Stellung, sowohl zu Offensive als Defensive bereit. Dann wäre es unverhoffter Glücksfall. Benedek schlüge dann mit der Elbe im Rücken. Auf jeden Fall werden Eure Majestät wohl befehlen müssen, daß wir morgen mit allen Kräften angreifen,« entschied sich Moltke bedächtig.
»Dann werden Sie also Befehl an den Kronprinzen ausfertigen, daß er gegen die rechte Flanke marschiert«, sagte der König ernst.
»Zu Befehl. Es ist jetzt vor Mitternacht. Ein guter Reiter sollte morgen früh über Miletin die ll. Armee erreichen können. Ich werde ihm noch ein Schreiben ans Korps Bonin mitgeben, das er auf seinem Ritt passieren muß, damit es sofort als am nächstenstehend aufbricht.«
Als Flügeladjutant Graf Fink v. Finkenstein abritt, sann Otto schlaflos nach. Rächte sich jetzt nicht das Verbleiben der II. Armee auf dem jenseitigen Elbufer, das Auseinanderspreizen, der Heere auf fünf Meilen, indes österreichische Aufstellung vermutlich nur eine Meile beansprucht? Zur selben Zeit sprach sich Blumenthal äußerst abfällig und scharf über die Moltkesche Direktive aus, eine Strategie auf exzentrischen Linien, die notwendigerweise zu einer Krise führen mußte, wenn plötzlich rascher Zusammenschluß der getrennten Heere durch gegnerische Maßnahmen nötig wurde. Andererseits läßt sich nicht verkennen, daß Benedek seit fünf Tagen seine Masse zu unbehilflich aufeinanderpackte, um nicht wegen
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