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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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und sich gern auf seinem Landsitz mit Schriftstellern umgab, galt als Säufer, der seine schöne Frau mißhandle, während er nur als Kettenraucher sich neben Bismarck sehen lassen konnte und sehr mäßig trank, leider aber zum Ehezerwürfnis durch eine schlimme verborgene Untugend Anlaß gab, die man bei ihm am wenigsten hätte vermuten sollen. Im geheimen sehr wohltätig, von vornehmer Denkart, zum Studium geneigt, litt er an einem gewissen düsteren Weltschmerz und fühlte sich verkannt. Vor dem Bildnis des gefallenen südstaatlichen Reiterführers Stuart, des Seydlitz von Amerika, flüsterte er ehrerbietig: »Der konnte mehr als ich!« Dabei war er sich wohlbewußt, daß die törichte öffentliche Meinung ihn für einen rohen Draufgänger hielt, indes er im graden Gegenteil als wissenschaftlich gebildeter Theoretiker jede Unüberlegtheit verpönte und vor allem bedacht blieb, unnütze Menschenopfer zu vermeiden und den Krieg nach allen Regeln der Kunst zu führen. Dies trug ihm später im Loirefeldzug sogar den Spitznamen Fabius Kunktator ein, wobei freilich viel Ungerechtigkeit seiner hochgestellten Feinde mitsprach. Daß sich trotzdem die blutigsten Kämpfe der neupreußischen Geschichte an seinen Namen knüpfen, hing mit seinem napoleonischen Aufflammen in entscheidenden Augenblicken zusammen. Nur die gröbste Verkennung und neidische Krittelei kann aber behaupten, daß der Schläger von Königgrätz, Vionville und St. Privat, der Sieger von Orleans und Le Mans nicht zweckmäßig und großzügig gehandelt habe. Er faßte den Kampf ganz von der moralischen und geistigen Seite auf und betätigte einmal in schwerstem Schlachtenabend seine trotzige Maxime: der Wille zum Siegen siegt. Kurz, er war, mochte eine naseweise Kritik nach anfänglicher populärer Überschätzung ihn später fallen lassen und ihn aus der Liste der Bedeutenden löschen, dennoch ein geborener Feldherr und gehörte durchaus mit in die Vorderreihe des gewaltigen Führergeschlechtes, das so plötzlich Preußens geistige Überlegenheit auf allen Gebieten enthüllte.
    »Ich melde Eurer Majestät den Aufmarsch der I. Armee,« rapportierte er kurz und bestimmt. »Seit 6 Uhr früh mattes Gefecht in der Bistritzniederung. Wir wollen jetzt den Bach überschreiten, und ich bitte um Erlaubnis, den Angriff auf die Höhen beginnen zu dürfen.«
    Einen Blick mit Moltke wechselnd, erwiderte der König: »Ich erteile Eurer Hoheit den Befehl dazu.« Moltke rührte sich nicht und sagte kein Wort. Er konnte den Prinzen nicht leiden und rieb sich später kritisch an ihm. Mit Blumenthal, seinem früheren Stabschef, hatte der Prinz sich auch überworfen, und Bismarck bezeichnete ihn als unausstehlich, wobei er noch spöttische Bemerkungen über seine »Favoriten« einflocht. Als der seltsame halbgeniale Mann davonsprengte, dachte er bitter: Geht's schlecht, wird man über mich herfallen, geht's gut, wird mein lieber Vetter alle Lorbeeren ernten. Zwischen ihm und dem Kronprinzen bestand eine schlecht verhüllte Abneigung, gemischt mit Eifersucht. Nun, die eingebrockte Suppe mußte jetzt ausgelöffelt werden, und der Prinz ahnte sehr wohl, daß ihm die längsten bangsten Stunden seines Lebens bevorständen.
    Schon schlugen Granaten zu beiden Seiten der Höhe ein, da das zahlreiche glänzende Gefolge des Königs eine feindliche Batterie anlockte. Der riesige Kürassier mit weißem Waffenrock, einen grauen Überrock lose darübergeworfen, und breitem Helm zog manche Blicke auf sich. Verschuldete doch vorzugsweise, daß hier die zahlenmäßig größte Schlacht nächst der von Leipzig ausgefochten wurde.
    Gegen 215 100 Österreicher 221 000 Preußen, doch wie viele von letzteren fochten nicht! Selbst die 124 000 Streiter Friedrich Karls und Herwarths (ersterer durch Marschabgänge, Etappenposten, Abkommandierte, Gefangenentransport auf 85 000 gesunken) kamen durchaus nicht alle ins Feuer, von den 97 000 des Kronprinzen noch nicht die Hälfte. Eine starke, teilweise verschanzte, mit sehr zahlreicher und vortrefflicher Artillerie bespickte Hochfläche zu erstürmen, schien also ein gewagtes Beginnen.
    »Die Lage hat große Ähnlichkeit mit der Schlacht von Torgau«, äußerte Roon.
    »Und die Höhen da drüben bei Chlum, wie das Nest nach der Karte heißt, gleichen den Suptitzer Höhen, über die Zieten einbrach. Hoffen wir heute ähnliches vom Kronprinzen!«
    Die Stärkeverhältnisse waren übrigens auch insofern ungleichmäßig, als Benedek über 60 000 Mann weit

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