Bismarck 02
berichteten. Aber 6000 Preußen verfielen damals dem Tod durch die scheußliche Seuche. Das wird enden wie einst der Feldzug in der Champagne, wo die Franzosen noch heute von ›Valmy‹ fabeln, während nur die Ruhr die Preußen zum Abzug zwang. Er stand vor dem König und legte ihm seine schriftliche Eingabe vor, die er mündlich erläuterte. »Die Schwarzgelben würden sich dem Teufel verschreiben aus Rachsucht, selbst sich Rußland, dem Todfeinde, in die Arme werfen, von Frankreich ganz zu schweigen, wenn man von ihnen Abtreten alter Kronlande verlangt. Wenn nicht heute, dann später. Österreich muß uns vielmehr ein Stein im Schachbrett bleiben, dessen Benutzung zu Schachzügen wir in der Hand behalten. Und was gewönnen wir bei Zerstörung dieser Monarchie durch ungarische und tschechische Selbständigkeitsgelüste, die wir uns freilich jetzt dienstbar machen könnten?«
»Einen Feind weniger!« Der König sagte es frei heraus.
»Was träte an seine Stelle? Zerklüftete Staatsgebilde von revolutionärem Anstrich, die uns nicht helfen könnten und wollten, dagegen Rußland zur Beute fielen. Die deutschen Provinzen können wir uns nicht angliedern, selbst wenn sie es wünschten, dazu ist das altdeutsche Gefühl noch zu wenig dort ausgereift und durch den Katholizismus erst recht beschränkt. Militärisch schaut für uns nichts Gutes heraus, wenn die Österreicher ins Innere Ungarns ausweichen und uns in die Pußta nachlocken. Sie gewinnen nur Zeit für die französische Intervention. Noch sind sie dieser nicht sicher, da der unehrliche Makler in Paris sich nicht die Hände binden will, weil er von uns einen Profit als Spesengebühr hofft. Da die Wiener Diplomatie von sich aus auf uns schließt, wird sie argwöhnen, wir würden zur Not selbst das Rheinufer opfern, um den Erpresser zufriedenzustellen, wenn wir nur Österreich ganz zerschmettern könnten. Mein Renommee als blinder Österreichhasser kommt mir dabei zu statten. Warten wir länger und Napoleon schöpft Verdacht, wir würden nicht gefügig sein, so steift er dem Erzherzog Albrecht den Nacken, der ohnehin weiterfechten möchte. Der Kaiser ist aus mannigfachen Gründen anderer Ansicht und wird gern Frieden schließen, sobald wir nichts für ihn Unmögliches fordern.«
Der König ging unruhig auf und ab. »Ich verschließe mich Ihren Gründen nicht, doch diese Bedingungen sind unbrauchbar. Soll denn der Hauptschuldige unbestraft bleiben? Bei den verführten Süddeutschen könnten wir dann eher Gnade für Recht ergehen lassen.«
»Majestät, wir sind von Gott nicht als Richter bestellt. Im Grunde genommen gibt es bei Interessenkämpfen kein Recht oder Unrecht. Alle sind gleich schuldig und nichtschuldig. Ich spreche hier von Österreich, unserem Rivalen, der als nichtdeutscher Staat keine Verpflichtung hat, deutschnationale Politik zu treiben. Wir haben sie, uns liegt ob, die deutsche Einheit zu gründen, nachdem wir Österreich an die Luft gesetzt.«
»Wenn wir Österreich unangetastet lassen, müssen wir uns an den anderen schadlos halten. Mir wird verschiedenes nahegelegt, z. B. Vergrößerung Badens. Mein Schwiegersohn mußte schweren Herzens gegen uns Partei ergreifen wegen der geographischen Lage, wird aber von jetzt ab absolut Treue halten, als wäre er ein Fürst meines Hauses. Wir müßten die untere Mainlinie erwerben, wobei Hessen-Darmstadt um Oberhessen geschmälert würde. Dafür kann man es mit dem Kreis Aschaffenburg entschädigen, den Bayern abtreten müßte, ebenso das Würzburger Gebiet, das an Sachsen fallen könnte als Ersatz für seine Westhälfte, die uns zukommt.«
Otto faßte sich unwillkürlich an den Kopf, ihm schwindelte vor diesen verrückten Projekten unbefugter sehr hochgestellter Dilettanten, die dem sonst so verständigen König im Ohr lagen. »Ew. Majestät haben sonst so viel Verständnis für ererbte angestammte Gefühle. Glauben Sie, daß die hin und her verhandelten Lande jede Anhänglichkeit an ihre lange Zusammengehörigkeit verloren, daß die Bayern ohne weiteres Sachsen, Hessen, Badenser werden wollen? Das Schönste dabei ist, daß wir gerade Bayern, das die Kosten tragen soll, am wenigsten niederwarfen. Es wird sich wehren, das kann eine lange Geschichte werden. Auch die Pfälzer haben nicht den geringsten Wunsch, Preußen oder Badenser zu werben. Mich erinnert dies an den Frieden von Luneville und spätere Rheinbundscherze, wobei deutsche Lande hierhin und dorthin verschachert wurden. Nun, das war
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