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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Liebermänner, was haben vertrieben die Engländer von dem Kontinent.« Zu ihnen hielt der alte General v. Brandt, der schon als Leutnant der Weichsellegion unter Napoleon focht und wertvolle Memoiren hinterließ. Der Leumund behauptete, daß auch er jüdischer Abstammung sei, jedenfalls war es seine Gemahlin, geborene Hanoch. Die Behörden waren vertreten durch die Oberbürgermeister Seydel und Beyer, Stadtverordnetenvorsteher Halske, die christliche Finanz durch Kommerzienrat Vollgold und Hotelbesitzer Krüger, die Kunst durch einen gewissen Professor Steffeck, der sich als patriotischer Pferdemaler eines schönen Rufes erfreute und als Hofmaler mit der Kunst entfernte Beziehungen unterhielt.
    Der reichdekorierte Saal war bis zum letzten Platz besetzt, die Teilnehmerliste schon nach zwei Tagen überzeichnet. Wie schon die Zusammensetzung des Komitees bewies, huldigten alle Stände ohne Ansehen der politischen Schattierung der aufgehenden Sonne. Um 6 Uhr erscholl der neue Königgrätzer Marsch, die drei Ehrengäste erschienen in Gala, 800 Festtafelteilnehmer jubelten, aus den Logen winkten die wehenden Taschentücher der Damen ein parfümiertes Willkommen. Auf der Galerie thronte ein Orchester, und der kleine dicke Direktor von Kroll, ein stadtkundiger ulkiger Israelit namens Engel, dem es an gesundem Berliner Witz nicht fehlte, leitete dort Kapelle, Opernpersonal und Männerchor, die jede Tafelpause mit Konzert abwechselnd ausfüllten. »Gott grüße dich!« tönte ein Männerquartett, das ein gewisser Mücke verfaßte. Daß ein gewisser Richard Wagner allerlei Märsche verfaßte, die sich wohl etwas kräftiger mit dem musikalischen Moment gerade dieser Feier beschäftigt haben würden, war in deutschen Gauen und weitesten Kreisen unbekannt. Es war eine schöne echtdeutsche Feier.
    Graf Eberhard toastete begeistert auf das ganze königliche Haus, sodann erhob sich der erste Oberbürgermeister Seydel, vormals in der Wolle gefärbter Demokrat, heute Geheimrat, und hielt eine wirklich erhebende zündende Ansprache. Er betonte die gewaltige Kraft, die in Preußens Staatsleben ruhe, und den Blick des Genius, der dies erkannte, um es in vollendeten Organisation zusammenzufassen. Was sich auch im Entwicklungsgange des Völkertreibens rege und heimlich wirke, die letzte Entscheidung sei dem hohen Geiste des Mannes übergeben, »der mit kühnem Griff die lange gereifte Frucht bricht, der mit fester, nie zuckender Hand die alte Form zerschlägt und dem neuen höheren Leben Raum schafft«. (Donnernder Beifall.) Noch sei die große weltgeschichtliche Stunde nicht abgelaufen, noch gebe es eine weitere Zukunft, doch man habe jetzt festen Boden unter den Füßen. »So bringen wir den Dank und Verehrung dar zunächst dem Manne festen Herzens, klaren Blickes und erfindungsreichen Geistes, der, an das Steuer gestellt, stets die Zeichen der Zeit wohl beachtet, stets den rechten Moment erkannt, mit Energie erfaßt, mit dauernden Gedanken befruchtet und den höchstmöglichen Erfolg kühn und bewußt ihm abgerungen hat.« Er zeichnete dann gut die Verdienste Roons und Moltkes. Diese drei Männer »sie leben hoch und abermals hoch!« Der General v. Brandt toastete auf die Armee. Dann entstand eine tiefe Stille im ganzen weiten Saale, als Otto sich erhob und in launiger markiger Rede das Gemeinwesen Berlin pries, wo nicht bloß Hand und Mund, sondern auch das Herz auf dem rechten Flecke sei, wo unter Glätte des Witzes ein tiefes edles Leben pulsiert. Aus ganzem Herzen und ganzer Überzeugung trinke er auf das Wohl der Stadt Berlin.
    Seiner alten Feindin! Da erhoben sich alle Anwesenden in einem Ausbruch der Begeisterung, die rotesten Demokraten eilten herbei, um mit dem Gehaßten anzustoßen. Als aber der alte Direktor Bonnel herantrat, schüttelte ihm der Minister beide Hände: »Wie danke ich Ihnen für Ihren poetischen Gruß, den Sie meiner Rückkehr widmeten, leider fand ich noch nicht Zeit, ihn gleichfalls in alkäischen Strophen zu beantworten. Meine Herren,« wandte er sich an die Umsitzenden, »ich stelle Ihnen meinen verehrten Lehrer vor.«
    »Sind Eurer Exzellenz Söhne auch auf dem Werderschen Gymnasium?« fragte der Oberbürgermeister.
    »Das will ich meinen. Und Berliner Jungens sollen sie sein, wie ich's gewesen bin.«
    Draußen pufften Raketen durch die Luft, das Feuerwerk mündete in ein Transparent »Viktoria«. Als Otto durch das Brandenburger Tor zurückfuhr, dachte er, wie er einst dort einherschlich als verfemter

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