Bismarck 02
er nicht zur Einseitigkeit führen.«
Weder er noch Bazaine rechneten mit der Regentin, zwischen welcher, Bazaine und Bismarck, auch ein dunkler Ehrenmann Reynier hin und her lief. Eugenie lehnte jeden Frieden ab, der auf Verminderung des Territoriums beruhe. Bald darauf kapitulierte Metz mit drei Marschällen, und doch brachte auch dieser Druck die allgemeine Lage nicht weiter.
»Wir sollten gar nicht an Beschießung, sondern nur an Aushungern denken«, gab Blumenthal dem Kanzler seine Ansicht kund. »Darin stimme ich mit Moltke überein.« Otto schwieg dazu. Der General schien aber so nervös und unruhig, daß man nicht wußte, ob er es nicht satt habe, zu opponieren. Am großen Bassin in Trianon brach er grundlos in langes Weinen aus, als man einen Choral spielte, und bekannte: »Es hängt mir wie Blei in den Gliedern, daß ich jetzt nichts mehr selbständig machen darf, sondern immer erst anfragen muß, ob allerhöchstenorts etwas dagegen zu sagen ist. Die Flügel sind beschnitten und gelähmt.« Seine Brummigkeit ging so weit: »Wenn noch etwas Tüchtiges geleistet wird, haben wir's nur dem lieben Gott und unserem Glücke zu danken.« Dazu brummte der Mont Valérien und der Himmel brannte von blutrotem Nordlicht.
Mit Blumenthal, den er sehr schätzte, nach einem Diner beim Kronprinzen auf einem Sofa sitzend, sprach Otto tiefe und gewaltige Worte über das germanische Prinzip. »Es muß siegen und die anderen beherrschen. Allerdings braucht es manchmal einer fremden Blutmischung, das tat auch den Briten gut. Bei uns in Preußen hat der slawische Einschlag die nötige Staatsunterwürfigkeit und Disziplin gebracht, die sonst dem individualistischen Germanen zuwiderläuft. Gottlob stecken aber darunter noch die deutsche Knorrigkeit und Nachdenklichkeit und Fleiß und Initiative. Die Slawen ohne deutsche Beihilfe sind nichts, nicht unbegabt, aber rein nachahmend ohne jeden eigenen Schaffenstrieb. Angeborene Trägheit und Schwäche haften da wie eine unheilbare Krankheit, und bei jeder besonderen Anstrengung bricht das seelische Knochengerüst zusammen. Die Russen fangen jetzt an, auch in den Ostseeprovinzen zu russifizieren, und prahlen, sie würden alles Deutsche von sich abstoßen. Nichts kann besser für uns sein, denn ohne die Deutschrussen ist Rußland ohnmächtig.« Er wollte dann wegen der Beschießung anklopfen, doch Blumenthal unterbrach unwirsch: »Geht nicht. Von förmlichem Angriff darf keine Rede sein. Die Opfer! Und Paris fällt ja doch spätestens bis Mitte November.«
Ja, Prost Mahlzeit! Otto wurde immer verstimmter und empfing Thiers, der über Waffenstillstand ein Abkommen treffen wollte, zwar mit all seiner gewohnten Höflichkeit eines großen Herrn, aus Herzlichkeit für seinen früheren Bekannten und Verbindlichkeit für die Verdienste des Historikers gemischt, doch kühl und eisig betreffs der politischen Punkte. Denn jetzt irgendwie Entgegenkommen zeigen, hätte Schwäche verraten. Die Sache zerschlug sich. Sonst gab es weiter nichts Neues, als daß Moltke in den Grafenstand erhoben, der Kronprinz zum Feldmarschall ernannt, Steinmetz in Ungnade nach Hause geschickt wurde, keineswegs wegen strategischer Sünden, wie die Legende wähnt, sondern weil er sich persönliche Subordinationswidrigkeit gegen den königlichen Prinzen Friedrich Karl zuschulden kommen ließ. Blumenthal ging leer aus.
Herr Unterstaatssekretär Odo Russel setzte eine feierliche Miene auf, daß Preußen die plötzliche russische Kündigung des Schwarzen Meer-Traktates begünstige. Der in Versailles erschienene Lord Loftus berichtete an Earl Granville ins Foreign Office über sehr scharfe Vorhaltungen des Kanzlers wegen britischer Kriegskonterbande. »Das wird ein gekränktes wundes Gefühl in Deutschland zurücklassen, zumal wir ja auch für Englands Interesse fochten. Denn wären wir unterlegen, so hätte Napoleon Belgien annektiert und Sie würden für Ihren Schützling nichts haben tun können.«
»Nicht können? England?« schnaufte der edle Lord.
»Gewiß, weil Ihr kleines Heer gar nichts bedeutet und Ihre große Flotte (sehr viel alte Schiffe darunter) Frankreich nicht viel schaden könnte. Um so mehr sind wir befremdet über Ihren Vermittlungsversuch, der in Deutschland sehr mißverstanden wird.«
»Inwiefern wird unsere gute Absicht verkannt?«
Otto zuckte die Achseln. »Mein Gott, die Menschen sind schlecht und denken immer Schlechtes von ihren Nebenmenschen. Die Deutschen argwöhnen, Neid und Eifersucht,
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