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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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fesselloser Trunkenheit,
Berauscht von Ewigkeit? Hier laßt mich sterben
Oder erfassen eure Macht und Fülle.
Denn mein Gedanke ist zu dieser Stunde
Eurer nicht unwert, bin ich auch nur Staub!
    Droben schien der Mond hörbar zu rollen in dieser Einsamkeit granitener Wüste. Und die Sterne gleißten wie eine Diamantenkette. Otto saß starr und still und dachte an Napoleons Stern, hatte auch er einen solchen? Dort den fernen großen, den Jupiter? Und sein kahles Haupt nickte über dem Herdfeuer ein... Die Menschen sterben, nicht die ewigen Sterne. Herunter ins Tal aus der verräucherten Hütte, wo Rauchqualm und Zigarrendampf die Wärme ersetzten und die Glühpünktchen seiner Zigarre einen Bergadler anzogen als das einzige Licht in dieser nächtigen Bergwüste. Komm du nur herab, Bote des Jupiter! Ich bin kein Ganymed, den man wegschleppt, ich möchte selber mit Blitz und Donner spielen. Er fühlte sich riesenstark, wie kaum in der Jugend. Neulich hatte er es auf eine volle Stunde Schwimmen gebracht, wie Byron, aber ohne Fieberschauer, wie dieser Nervöse mit dem lahmen Bein. Ihm war, als könnte er Eichen ausreißen, wie Hebbels Dietrich von Bern, und sie den prahlenden Schwächlingen auf den Rücken legen. Brausende Wasserfälle mit Iriskronen, die an Byrons Alpenfee gemahnten, und Felsen, bis oben hin mit Efeu überzogen, ein See im Bergkessel, und das Dreiblatt sang im Nachen alte französische Chansons.
    O Himmel, schon Toulouse, eine große Stadt! Schon grinst uns die kahle menschliche Gesellschaft an. Kein Brief von Roon! Wollte Gott, daß ich in Paris bleiben darf. Doch die Sache will's, mein Herz, ich bin auf alles gefaßt.
    Avignon, die alte Höhle der Päpste. Hier ließ die Provence, ein Nest von Nachtigallen, Gitarren ihrer Troubadoure ertönen. Doch der Albigenser flammendes Verderben begrub in Toulouse die schöne fröhliche Zeit. Als er in den Speisesaal des Hotels Beausejours trat, erregte seine Riesengestalt viel Aufsehen bei den kleinen Südfranzosen. Und als sie die furchtlosen Augen unter buschigen Brauen so scharf hervortreten und die hohe gebietende Stirn sahen, überlief sie förmlich ein Schauer, als ob ein alter Seekönig der Normanen, von dem so viele französische Sagen melden, sie heimsuchen wolle, um sich ein Reich zu suchen. Ein Normane war's freilich nicht, sondern einer von den Deutschen, die als Franken das Land zwischen Mosel und Rhone eroberten und ihm den Namen gaben. Doch welcher Franzose verstände das in historischem Sinne!
    Daß er ein Deutscher, erfuhr sogleich ein Pärchen im Honigmond, das an der Tafel saß und deutsch über ein Altarbild der »Barmherzigkeitskapelle« schimpfte. Der Fremde trat näher und nahm gegenüber Platz. »Gesegnete Mahlzeit! Ich bin freudig erstaunt, Landsleuten unter Provençalen zu begegnen.«
    Nach deutscher Unsitte folgte sofort die Vorstellung. »Lüning, Kaufmann aus Frankfurt.« »Bismarck-Schönhausen.«
    »O Exzellenz, jetzt erkenne ich Sie!« Der junge Mann gehörte einem Frankfurter Patriziergeschlecht an. »Ich sah Sie zwar nur einmal, doch ich vergesse nie, wie unsere guten Bürger sich dabei aufregten. Sie promenierten auf der Zeil Arm in Arm mit dem italienischen Gesandten am Vorabend des österreichisch-italienischen Krieges. Graf Rechberg soll sich grün und gelb geärgert haben.«
    »Ja, aber er war fixer als ich. Am nächsten Morgen hatte ich schon die Abberufungsorder und mußte nach Petersburg.« Das war zwar chronologisch übertrieben, doch er liebte solche feuilletonistische Wendungen. Verbindlich wandte er sich an die junge Honigmondliche: »Pardon, gnädige Frau, so sind wir Deutschen, gleich bei den ersten Worten die garstige Politik statt provençalischem Ritterdienst hier im Lande der Galanterie.« Er plauderte darauf los wie ein jugendlicher Kavalier und schloß sich einem kleinen Ausflug an. Von einem Ölbaum brach die junge Frau einen Zweig und reichte ihn ihm.
    »Sie werden gewiß Frieden brauchen, hier haben Sie sein Sinnbild.«
    »Der Ölzweig mit der Taube!« küßte er ihr die Hand.
    »Als wir vor fünf Tagen Berlin verließen –«
    »Wie? Das erfahre ich erst jetzt. Was gibt's da Neues?«
    »Ich kaufte mir auf dem Anhalter Bahnhof die ›Berliner Allgemeine‹. Vielleicht interessiert Sie das.«
    »Das Organ der Altliberalen? Ich bitte darum.« Er las gespannt: »Im Vordergrunde der Ministerkombination spielt sich wieder die Figur des Herrn v. Bismarck aus. Wer ist dieser Bismarck? Als er seine Laufbahn begann,

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