Bismarck 03
Hände arbeiten, die Wahrheit zu entstellen. Was der unparteiische Forscher dabei empfindet, läßt sich mit parlamentarischen Ausdrücken nicht vertreten. Was wirklich am 9. vorfiel, sah nur erfreulich aus. Was sich Foch als seinen Sturmflügel dachte, die Linke, lag schlaff am Boden, Esperet mußte sein 1. K. dorthin eindrehen, konnte also um so weniger nach Vauchamps vorrücken, als sein 1. K. damals noch Hülsens Bataillone in der Flanke gehabt hätte. Überhaupt waren Emmich und besonders Garde bis Connantre so weit vorgeprallt, wie es sehr unvernünftig gewesen wäre, wollte man dann gleich Rückzug antreten, der sich dann so doppelt verlängerte, ein sträfliches Unterfangen, wenn Esperet schon in Vauchamps und Château Thierry gestanden hätte! Daß schon »im Laufe des 8.« 24. R. D. eingriff, ist ein laienhafter Einfall. Truppen, die in unaufhörlichem Gewaltmarsch von Givet herkeuchten und noch unmittelbar vorher 26 km zurücklegten, kann man nicht sofort einsetzen. Bülow selbst sagt ja, daß er erst am 9. »mit aller Kraft« vorging. Natürlich war diese Division noch weniger vollzählig als 23. R. D., die schon allein zwei Bataillone in Reims zurückließ, aus V. L. und Gang der Handlung geht hervor, daß sie erst auf dem Rückzug genügend Kräfte beisammen hatte. Hier kommen nun wieder Selbstwidersprüche. Also am 9. nachmittags stand der Rückzugsentschluß fest, aber die Garde begann schon um 1, Emmich und »14. D.« um 2 Uhr nachmittag den Abmarsch? Wenn ein Entschluß sich nachmittags verdichtet, kann er nicht schon nach Mittag in Ausführung sein! Jeder, der eine Ahnung von Truppenbewegungen hat, und gar unter Loslösung vom Feinde, wird lachen. Erstens ist die Vordatierung nachweislich erdichtet, denn Mondemont, welches verrammelte und verschartete Bollwerk man wohl schwerlich mehr zu verteidigen brauchte, weil der Feind abgezogen wäre, wurde erst am 10. vorm. geräumt. Zweitens stimmt die Vordatierung nicht mal zu Fochs eigener Angabe, daß er in der Nacht zum 11. in Champenoise einzog, wo man noch am andern Morgen Nachzügler der Garde aufgriff. Es ist blanker Unsinn, daß die gar nicht bedrohte Garde früher abzog als Emmich. Natürlich war überhaupt kein Rückzug geboten, längs der schrägen Linie Mondemont–Montepreux, gleichsam ein strategisches Leuthen, wobei Versagen eines Flügels nur günstig wirkt. Es war gleichgültig, ob die taktisch ungebrochene Rechte bis zur nördlichen Marne wich, da hatte man die genügende Hakenflanke, besonders wenn Kluck am 9. und 10. siegte. Bei dieser Lage war kein Vordringen Esperets gefährlich. Wäre Napoleon bei Wagram ein Bülow gewesen, so hätte er nach wirklicher taktischer Aufrollung seiner Linken die Schlacht verloren, statt sie zu gewinnen. Er bildete ruhig eine Hakenflanke, ließ die Österreicher nachrennen, und vollendete seinen Erfolg an entscheidender Stelle. Hier zeigt sich so recht der Unterschied des genialen vom subalternem Kopf. Letzterem fehlt natürlich auch das Selbstgefühl des Genialen, er weiß innerlich, daß er unter allen Generalstressen nur Hans Schnok der Schreiner ist, kein böser Leu fürwahr. Was versteht er denn von Kriegskunst als Manöverspäße? Man muß lächeln, wenn man die strategische Weisheit hört, womit Bülow Moltke belehrte: die Armee werde sonst aufgerollt. Ein paar Pedantenbegriffe sind der Vorrat solches mittelmäßigen Gehirns. Selbst wenn Kluck eine Niederlage drohte, wovon er weit entfernt war, so lassen sich deutsche Truppen nicht ohne weiteres »aufrollen«. Traurig genug, daß deutsche Generäle so wenig vom Wert ihrer Mannschaften wissen, da ihr Kastendünkel sich nie mit den »Gemeinen« gemein macht. Erheiternd aber berührt, daß solche Mittelmäßige wie Bülow und Kluck bei allen naiven Laien gläubiges Gehör und Lobredner finden, weil die Offiziere natürlich nicht Wort haben wollen, welche Esel Vorgesetzte sind, da sie doch selber ähnliche »Vorgesetzte« werden möchten.
Nie war ein Sieg taktisch vollständiger und strategisch entscheidender, als der Bülows, d. h. seiner herrlichen Truppen und der ebenbürtigen Sachsen. Foch war gänzlich erledigt. (Wieder Unkenntnis Baumgartens, daß Foch die 42. D. noch als frische Reserve hatte; sie war am 6. und 7. bei St. Prix völlig geschlagen und brannte nun bei Champenoise zur Schlacke aus.) Dies leugnet Bülow nicht einmal, denn plötzlich gibt er zu, der »Feind war überall geworfen«; es sei der »überall« siegreichen 2. A. (auch bei
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