Bismarck 04
wollten Neid, Eifersucht, kaiserliches Übelwollen dem famosen »für Hindenburg keine Verwendung« ein »für Ludendorff keine Verwendung« folgen lassen. Wir zweifeln nicht, daß Falkenhayn die besten Absichten hatte, doch alles, was er als Vertreter des Obersten Kriegsherrn anstiftete, war von Übel. Als das Dioskurenpaar Hindenburg-Ludendorff die O. H. L. übernahm, war die Lage im Westen schon gänzlich verfahren. Und warum? Weil dort nie klares strategisches Denken die Dinge im Großen sah, sondern immer nur nach Augenblicks-Halberfolge haschte. »Ein Mann ist alles« heißt, daß der Stratege den Ausschlag gibt. Daher muß er unumschränkt sein. Wer aber mit Schamröte vernimmt, wie man zuvor den zwei Berufenen das Leben sauer machte, der verzeiht gern Ludendorffs späteres Diktaturgelüst.
Die Demokratie reibt ihm unter die Nase, er habe sich in alle politischen Angelegenheiten gemischt. Wie konnte er anders angesichts einer solchen Regierung, eines solchen Reichstags, wo die Michel ihr doktrinäres Parteisteckenpferd ritten, während der Feind nach Berlin reiten wollte. Im Krieg hat nur der Militär zu dominieren, das sahen die heuchlerischen Verketzer des »preußischen Militarismus« in Paris und London so klar ein, daß niemand muckste und sich England Aufhebung der Habeas-Corpus Akte gefallen ließ. Diese wahren Imperialisten konnten zwar Strategen nicht aus dem Boden stampfen, doch den Willen zur Strategie, d. h. den Siegeswillen. Sobald wir die felsenfeste Entschlossenheit der Entente erkannten, dies sei der Augenblick, Deutschland kaputt zu machen, beschlich uns banges Vorgefühl. Denn Michel hatte wohl den Willen zur Abwehr, doch nicht zum Siege. Wenn richtig wäre »Im Kriege sind die Menschen nichts«, dann wäre unser Schicksal viel früher besiegelt gewesen, denn der »eine Mann« fehlte. Das Bedürfnis darnach errichtete den »Eisernen Hindenburg«, doch man schlug die Nägel falsch ein. Der verehrungswürdige Mann und sein genialer Berater sind so einseitige Sprößlinge einer Kadettenerziehung, wie man sie bei keinem anderen großen Feldherrn findet. Selbst Wellington hatte als politischer Agent der Tory-Oligarchie und Administrator eine gewisse praktische Vielseitigkeit. Ludendorff zeigt sich in allen Äußerungen nach dem Weltkrieg zwar nicht als politischer Kindskopf, obschon angebliches Interview mit einem Amerikaner über künftige amerikanische Monarchie eine geradezu kindliche Mentalität verraten würde, aber als starrer Erzreaktionär und Prototyp seiner Kaste, die er noch heute als deutsches Ideal proklamiert. Er hat nichts gelernt und nichts vergessen, wobei wir indessen seinem patriotischen Deutschgefühl und seinem auf nationale Erhebung sinnenden Ernst Gerechtigkeit widerfahren lassen. Doch ein Mann, der so wenig die sozialen Zeichen der Zeit versteht, so wenig Anschluß an geistige Bewegungen hat wie der ödeste Kommißbruder, konnte nie der eine Mann sein, dessen eine Nation in ihrer Not bedarf. Heute braucht man weit eher einen Cromwell als einen Blücher, Lud. möchte leider nur ein Monk sein, womit wir nicht die Heimkehr der Hohenzollern – die keine Stuarts sind – sondern »Restauration« des alten System meinen, das unwiderruflich vom Weltgericht verurteilt ist.
Doch darf man deshalb nicht mit schmachvollem Undank vergessen, daß nur er und Hindenburg uns 1914 retteten, damalige O. H. L. tat nichts dazu. Daß aber die Menschen im Plural durchaus nicht im Kriege »nichts« bedeuten, merkte Nikolajewitsch, dessen Energie sich zähneknirschend gestand, gegen die ungeheure Überlegenheit des deutschen Soldaten sei kein Kraut gewachsen. Leider wirkte wohl diese Erfahrung im Osten auf Ludendorffs Augenmaß im Westen ein, indem er die Vorstellung solcher Überlegenheit aufs Westtheater mitnahm. Glaubte er, der unerhörte Durchbruch bei Brzeziny (Lodz) wäre gegen französische Infanterie möglich gewesen und derlei mehr? Die verhängnisvolle Verrechnung im Juli 1918 wurzelt in solchem Irrtum. Indessen beurteilt nur Unkenntnis den Feldherrn nach seinem äußeren Erfolg, schon manches Mittelmäßige kam zu hohem Ruf, der nur seinen Truppen gebührt«. Ein Beispiel liefert Mackensens fünffacher Donauübergang in Serbien. Alle Welt verhöhnte Potiorek, doch jede gesunde Theorie billigt seine Angriffsrichtung aus einer und zwar flankierenden Stelle, sie hatte ja auch vollen Erfolg, bis ihn die schlampig loddrige Intendanzverwaltung in physischen Zusammenbruch verwandelte.
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