Bismarck 04
ist nur ein Sessel, nur wer sich daraufsetzt, gibt ihm Wert, doch auch dem kurulischen Sessel der Präsidenten, denn außer Lincoln besetzten ihn in transatlantischen Freistaat nur Streber des Parteihandels. Treten gar anmaßend selbstherrliche Intriganten dafür ein (Roosevelt, Wilson, Poincaré, Clemenceau), so präsentieren sie Wechsel auf kurze Sicht, die nicht prolongiert und auch nur mit Wucherzinsen bezahlt werden. Selbst eine bloße Gelehrtenrepublik, wie Renan sie empfiehlt, reizt zum Lachen Swifts über »Laputa«. Purpurgeborene haben bessere Erziehung für ihren Beruf und angeborenes Verantwortungsgefühl. Woher nimmt man den Mut, die Hohenzollern als odium generis humani anzuprangern? Das einzige Herrschergeschlecht, das viele Tüchtige, 3 Bedeutende, einen Ganzgroßen auf den Thron stellte!
Den sogenannten preußischen Militarismus übernahmen sie nur vom Deutschen Orden, unter dessen Banner auch fremde Feudalherren wie der spätere englische König Henry Bolingbroke stritten, was die Ritterrepublik nicht an eifriger Bürgerfreundschaft hinderte, ein Ordensmarschall hieß »Bauernfreund«. Also auch Feudalismus braucht kein Übel zu sein, solange er nicht noblesse oblige vergißt. Buckles These, Monarchenschutz erniedrige das Schrifttum, d. h. die Nationalseele, wird Lügen gestraft durch das männlich aufrechte Literatengeschlecht im künstlerischen Zeitalter des Grand Monarque, der sich von seiner nie servilen »Akademie« abweisende Rüffel gefallen ließ und sich vor Boileau als Oberzeremonienmeister des Parnaß beugte: »Sie verstehen das besser als ich«. St. Beuve bemerkt dazu: »Wir kennen minder zartfühlende Herrscher«, wir auch, Puppenallee und Siegesspargel beweisen nichts gegen Versailles. Die dem Staatsschutz später entlaufene »wissenschaftliche« Literatur unter Louis XV. gebar nur oberflächliche Propaganda und hinterhältige Menschen wie Montesquieu, Voltaire schmeichelte der Pompadour, Diderot der Zarin, Aufschwung »exakter« Naturwissenschaft veredelte weder den Charakter noch stand ihr trockener Spezialismus, wie man vorgibt, in Beziehung zur politischen Revolution, die ja ihr nachher die klassische Abwehr erteilte: »Die Republik bedarf keiner Gelehrten« (Prozeß Condorcet). Es gewährt auserlesenen Genuß, die unorthographischen Gerichtsakten bei Cheniers Hinrichtung zu lesen, wo die Kleinkrämer sich über einen Versifex empörten, der keinen festen Lebensunterhalt und keinen Empfangsschein über »Effekten« habe. Carrier rapportierte, er zerstöre alle literarischen Gesellschaften: »Ich verhaftete soeben ein Fräulein, sie hat Geist und ist daher verdächtig, sich über uns lustig zu machen.« Dies »Daher« ist unbezahlbar. Der selbst jakobinische Chemiker Fourcroy klagte: »Man will alle Bibliotheken verbrennen«, bettelte umsonst um Almosen. Das mögen sich unsere bolschewistischen Berliner Literaten gesagt sein lassen.
Jede Banausenrepublik verholzt den Geist. Selbst Athens Ostrazismus trieb Aeschylos in die Verbannung, warf Phidias ins Gefängnis, reichte Sokrates den Giftbecher. Florenz duldete nicht Dante und Leonardo fand erst beim Herzog Moro die rechte Zuflucht in Mailand, das erst als Fürstentum zu hoher Kultur aufstieg. Der Medicäer Güte blühte mehr im päpstlichen Rom als im freien Florenz, und wie das kleine Ferara, blieb Weimar bis zum Weltkrieg ein fürstlicher Musensitz, alle geistigen Bewegungen gingen von solchen Residenzen aus, seit den Babenbergern und der Wartburg; ohne Ludwig I. wäre nichts aus deutscher Malerei, ohne Ludwig II. nichts aus Wagners Sieg geworden. Dies ist historischer Überblick ohne Parteiparole, sicher aber haben geistige Bestrebungen nichts von demokratischer Internationale zu erwarten.
Eine geistige Internationale gabs im Mittelalter: Papst- und Kaiseridee, die ursprünglich zusammengehörten, doch sich gegenseitig durch Herrschsucht zerstörten. Der Kirche unsterbliches Kulturverdienst und mehrfach volksfreundliche Richtung zur Dämpfung des Feudalübermuts versandeten, bis Papst Julius weltlichen Harnisch trug und Loyalas Jesuitengenerale die Ecclesia Militans disziplinierten, um aufs neue den Größenwahn von Gregor und Innocenz zu beleben, Europa unter internationalen Absolutismus der Kurie zu beugen. Schon früher verkaufte man sich, um sich deutschem Kaisertum zu entziehen, ans allerchristlichste Frankreich, dann ans allerkatholischste Spanien, d. h. ans ausschließliche Romanentum und kam dabei an unrechte
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