Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde
weshalb ich eigentlich hier war.
D er Adrenalinpegel steigt
»Okay, wo ist die Kupplung?«
Ich zeigte auf den Hebel am linken Griff. Es war ein Fehler, rechts loszulassen. Das schwere Motorrad schwankte unter mir und drohte mich umzuwerfen. Ich packte den Griff wieder und versuchte das Ding gerade zu halten.
»Jacob, das kippt immer um«, klagte ich.
»Wenn du erst mal fährst, ist das anders«, versprach er. »Und wo ist die Bremse?«
»Hinter meinem rechten Fuß.«
»Falsch.«
Er nahm meine rechte Hand und legte sie um den Gashebel.
»Aber du hast doch gesagt …«
»Das ist die Bremse, die du brauchst. Das Bremspedal benutzt du jetzt noch nicht, das ist für später, wenn du alles im Griff hast.«
»Das finde ich aber komisch«, sagte ich misstrauisch. »Sind die Bremsen nicht beide wichtig?«
»Vergiss das Bremspedal, okay? Hier …« Er legte seine Hand über meine und drückte den Bremshebel mit mir zusammen herunter. »So bremst man. Nicht vergessen.« Er drückte meine Hand noch einmal herunter.
»Okay«, sagte ich.
»Gas?«
Ich drehte den rechten Griff.
»Gangschaltung?«
Ich stieß mit der linken Wade dagegen.
»Sehr gut. Ich glaube, du hast alles drauf. Jetzt musst du nur noch losfahren.«
»Hm-hm«, murmelte ich, mehr brachte ich nicht heraus. Mein Magen krampfte sich merkwürdig zusammen und ich hatte Angst, meine Stimme könnte versagen. Ich hatte Panik. Ich redete mir ein, dass ich keine Angst zu haben brauchte. Das Schlimmste auf der Welt hatte ich schon hinter mir. Warum sollte ich mich da noch vor irgendetwas fürchten? Sogar dem Tod müsste ich lachend ins Auge blicken können.
Mein Magen war nicht ganz überzeugt.
Ich starrte auf die lange unbefestigte Straße, die zu beiden Seiten von dichtem, mattem Grün begrenzt wurde. Die Straße war feucht und sandig.
»Jetzt musst du die Kupplung halten«, befahl Jacob.
Ich legte die Hand um die Kupplung.
»Das ist jetzt ganz wichtig«, sagte Jacob. »Lass sie nicht los, okay? Stell dir vor, ich hätte dir eine scharfe Handgranate gegeben. Der Splint ist gezogen und du hältst den Bügel runter.«
Ich drückte fester zu.
»Gut. Meinst du, du kannst sie mit dem Kickstarter anlassen?«
»Wenn ich den Fuß bewege, kippe ich um«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen, während ich mit der Hand die scharfe Handgranate umklammerte.
»Okay, dann mach ich das. Nicht die Kupplung loslassen.«
Er ging einen Schritt zurück und trat dann plötzlich mit einem Fuß das Pedal. Es gab ein kurzes, reißendes Geräusch, und durch den Ruck geriet das Motorrad ins Wanken. Ich wäre fast umgekippt, aber Jake fing das Motorrad auf, bevor es mich zu Boden riss.
»Ganz ruhig«, sagte er aufmunternd. »Hast du die Kupplung noch?«
»Ja«, sagte ich atemlos.
»Stell die Füße auf – ich versuch’s noch mal.« Sicherheitshalber legte er eine Hand hinten auf den Sitz.
Er musste noch viermal treten, bis das Motorrad ansprang. Es grollte unter mir wie ein wütendes Tier. Ich hielt die Kupplung so fest, dass mir die Finger wehtaten.
»Jetzt versuch mal Gas zu geben«, sagte er. »Ganz vorsichtig. Und die Kupplung nicht loslassen.«
Zögernd drehte ich am rechten Griff. Obwohl es nur eine ganz kleine Bewegung war, knurrte das Motorrad unter mir. Jetzt klang es nicht nur wütend, sondern auch hungrig. Jacob lächelte zufrieden.
»Weißt du noch, wie man den ersten Gang einlegt?«, fragte er.
»Ja.«
»Na, dann mach mal.«
»Okay.«
Er wartete ein paar Sekunden.
»Linker Fuß«, sagte er hilfsbereit.
»Ich weiß «, sagte ich und holte tief Luft.
»Willst du wirklich fahren?«, fragte Jacob. »Du siehst ziemlich ängstlich aus.«
»Alles bestens«, sagte ich schnippisch. Ich trat auf das Schaltpedal.
»Sehr gut«, lobte er. »Und jetzt ganz vorsichtig die Kupplung loslassen.«
Er trat einen Schritt zurück.
»Ich soll die Handgranate loslassen?«, fragte ich ungläubig. Kein Wunder, dass er sich in Sicherheit brachte.
»So fährt man, Bella. Mach es einfach ganz langsam.«
Als ich den Griff lockern wollte, wurde ich von einer Stimme unterbrochen, die nicht zu dem Jungen neben mir gehörte.
»Das ist waghalsig und kindisch und idiotisch, Bella«, sagte die Samtstimme zornig.
»Oh!«, rief ich erschrocken und ließ die Kupplung los.
Das Motorrad machte einen Satz, riss mich nach vorn und kippte um, halb auf mich drauf. Der knurrende Motor erstickte.
»Bella?« Mühelos riss Jacob das schwere Motorrad hoch. »Bist du
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