Bis(s) 3 - Bis(s) zum Abendrot
dass er die Entscheidung treffen sollte – der Wunsch, mich bei sich zu behalten, sollte so stark sein, dass er meine Verwandlung nicht nur zuließ, sondern selbst vollzog. Es war kindisch, aber mir gefiel die Vorstellung, dass seine Lippen das Letzte wären, was ich als Mensch spüren würde. Noch peinlicher, viel zu peinlich, um es auszusprechen, war der Wunsch, sein Gift im Körper zu haben. Dadurch würde ich auf eine greifbare, messbare Weise zu ihm gehören.
Doch ich wusste, dass er sich von der Sache mit der Heirat nicht abbringen lassen würde – denn er wollte ja einen Aufschub, und bis jetzt ging seine Rechnung auf. Ich versuchte mir vorzustellen, wie ich meinen Eltern erzählen würde, dass ich diesen Sommer heiraten wollte. Wie ich es Angela und Ben erzählen würde. Es war unmöglich. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich es sagen sollte. Da wäre es sogar leichter, ihnen zu erzählen, dass ich ein Vampir werden wollte. Und ich war mir sicher, dass zumindest meine Mutter – wenn ich ihr die ganze Wahrheit erzählen würde – gegen die Heirat mehr einzuwenden hätte als dagegen, dass ich ein Vampir werden wollte. Ich stellte mir vor, wie geschockt sie gucken würde, und verzog das Gesicht.
Dann hatte ich für den Bruchteil einer Sekunde wieder das merkwürdige Bild von Edward und mir auf der Verandaschaukel vor Augen, wir beide in Kleidern aus einer anderen Welt. Einer Welt, in der sich niemand wundern würde, wenn ich seinen Ring trüge. Einer einfacheren Welt, in der man Liebe auf einfachere Weise erklärte. Eins plus eins gleich zwei …
Jacob grunzte und drehte sich auf die Seite. Sein Arm fiel von der Sofalehne und drückte mich an seinen Körper.
Meine Güte, wie schwer er war! Und warm. Schon nach wenigen Sekunden kam ich vor Hitze fast um.
Ich versuchte unter seinem Arm wegzutauchen, ohne ihn zu wecken, aber ich musste ein Stück rutschen, und als sein Arm von meiner Schulter glitt, riss er die Augen auf. Er sprang auf und schaute sich ängstlich um.
»Was ist? Was ist los?«, fragte er verwirrt.
»Ich bin’s nur, Jake. Tut mir leid, dass ich dich geweckt hab.«
Er drehte sich zu mir um und blinzelte. »Bella?«
»He, du Schlafmütze.«
»O Mann! Bin ich eingeschlafen? Entschuldige! Wie lange hab ich gepennt?«
»Ein paar Rezepte lang. Irgendwann hab ich nicht mehr mitgezählt.«
Er ließ sich neben mich aufs Sofa plumpsen. »Mann. Tut mir echt leid.«
Ich strich ihm übers Haar und versuchte die wirren Strähnen zu glätten. »Kein Problem. Ist doch gut, dass du ein bisschen schlafen konntest.«
Er gähnte und reckte sich. »Mit mir ist in den letzten Tagen wirklich nichts los. Kein Wunder, dass Billy immer auf Achse ist. Ich bin ein alter Langweiler.«
»Du bist schon in Ordnung«, sagte ich.
»Uff, lass uns mal rausgehen. Ich muss ein bisschen laufen, sonst penne ich wieder ein.«
»Jake, schlaf doch weiter. Das ist schon okay. Ich rufe Edward an und sage ihm, er soll mich abholen.« Während ich das sagte, griff ich in meine Taschen und merkte, dass sie leer waren. »Mist, ich muss mir dein Handy leihen. Ich hab seins wohl im Auto vergessen.« Ich machte Anstalten aufzustehen.
»Nein!«, sagte Jacob energisch und nahm meine Hand. »Nein, bleib noch. Du kommst doch so selten. Ich fasse es nicht, dass ich so viel Zeit vergeudet hab.«
Er zog mich vom Sofa und führte mich hinaus. Er musste den Kopf einziehen, als wir durch die Haustür gingen. Während Jacob geschlafen hatte, war es deutlich kühler geworden, ungewöhnlich kühl für die Jahreszeit – bestimmt kam ein Sturm auf. Es fühlte sich an wie Februar, nicht wie Juni.
Die fast winterliche Luft schien Jacob zu beleben. Vor dem Haus ging er eine Weile auf und ab und zog mich dabei immer mit sich.
»Ich bin so ein Blödmann«, murmelte er.
»Was ist denn passiert, Jake? Du bist eingeschlafen, na und?« Ich zuckte die Achseln.
»Ich wollte mit dir reden. Ich fasse es nicht.«
»Dann redest du eben jetzt mit mir«, sagte ich.
Jacob sah mir kurz in die Augen, dann schaute er schnell in die Bäume. Ich hatte fast den Eindruck, dass er rot wurde, aber bei seiner dunklen Haut war das schwer zu sagen.
Plötzlich fiel mir wieder ein, was Edward gesagt hatte, als er mich abgesetzt hatte – dass Jacob mir schon erzählen würde, was in seinem Kopf schrie. Ich begann auf meiner Unterlippe zu kauen.
»Also«, sagte Jacob. »Eigentlich hatte ich mir das ein bisschen anders vorgestellt.« Er lachte, und es
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