Bis(s) 3 - Bis(s) zum Abendrot
darüber wollte ich mich freuen, solange es anhielt. Alice würde bestimmt bei mir übernachten, wenn ich so tief sank, sie zu fragen. Und morgen war Edward schon wieder da. Ich würde es überleben.
Weil ich nicht so peinlich früh im Laden erscheinen wollte, ließ ich mir Zeit mit dem Frühstück und aß die Cornflakes einzeln. Nachdem ich das Geschirr gespült hatte, ordnete ich die Magnete am Kühlschrank in einer geraden Linie an. Vielleicht entwickelte ich ja eine Zwangsneurose?
Die letzten beiden Magnete – runde, schwarze, zweckmäßige Dinger, die ich am liebsten hatte, weil man mit ihnen problemlos zehn Zettel gleichzeitig am Kühlschrank befestigen konnte – widersetzten sich meiner fixen Idee. Sie stießen sich gegenseitig ab; jedes Mal, wenn ich den einen am Kühlschrank befestigen wollte, sprang der andere ab.
Aus irgendeinem Grund – vielleicht eine beginnende Manie – ärgerte ich mich richtig darüber. Warum taten sie nicht das, was ich von ihnen wollte? In meinem Starrsinn ging ich so weit, sie immer näher zusammenzuschieben, als könnte ich sie damit umstimmen. Ich hätte einen von beiden umdrehen können, aber dann hätte ich das Spiel verloren. Mehr aus Wut auf mich selbst als auf die Magnete nahm ich sie schließlich vom Kühlschrank und drückte sie mit beiden Händen zusammen. Das war gar nicht so leicht – sie waren stark genug, um dagegen anzukämpfen –, doch ich zwang sie, miteinander auszukommen.
»Seht ihr«, sagte ich laut – und redete doch tatsächlich mit toten Dingen, was immer bedenklich ist – »so schlimm ist es doch gar nicht, oder?«
Eine ganze Weile stand ich da wie ein Idiot und weigerte mich einzusehen, dass ich gegen die Naturgesetze nicht dauerhaft etwas ausrichten konnte. Mit einem Seufzer heftete ich die Magnete wieder an den Kühlschrank, ein gutes Stück voneinander entfernt.
»Warum seid ihr bloß so starrsinnig?«, murmelte ich.
Es war immer noch zu früh, aber ich wollte lieber aus dem Haus, bevor die toten Dinge auf die Idee kamen zu antworten.
Als ich bei Newton’s ankam, wischte Mike gerade sorgfältig den Boden trocken, während seine Mutter den Displayständer neu dekorierte. Ich erwischte die beiden mitten in einer Auseinandersetzung, sie hatten mich nicht bemerkt.
»Aber Tyler kann nur dann«, beschwerte sich Mike. »Du hast gesagt, wenn ich mit der Schule fertig bin …«
»Du musst eben warten«, sagte Mrs Newton scharf. »Tyler und du, ihr könnt auch etwas anderes unternehmen. Solange die Polizei die Sache in Seattle nicht gestoppt hat, fahrt ihr da nicht hin. Ich weiß, dass Beth Crowley Tyler dasselbe erzählt hat, also stell mich jetzt nicht als die Böse hin – oh, guten Morgen, Bella«, sagte sie, als sie mich sah, und schlug sofort einen freundlicheren Ton an. »Du bist früh dran.«
Karen Newton war die Letzte, an die ich mich in einem Sportgeschäft gewandt hätte. Das blonde Haar mit den perfekten Strähnchen trug sie immer in einem eleganten Knoten, die Fingernägel ließ sie sich im Nagelstudio zurechtmachen, ebenso die Fußnägel, die aus den hochhackigen Riemchensandalen hervorschauten – ein krasser Gegensatz zu den Wanderschuhen, die bei Newton’s reihenweise im Regal standen.
»Wenig los auf den Straßen«, scherzte ich und holte die hässliche orangefarbene Weste unter dem Tresen hervor. Es wunderte mich, dass Mrs Newton sich über die Geschichte in Seattle genauso aufregte wie Charlie. Ich hatte bisher gedacht, dass er sich übertrieben anstellte.
»Ähm, also …« Mrs Newton zögerte einen Augenblick und machte sich verlegen an den Flugblättern zu schaffen, die sie neben der Kasse gestapelt hatte.
Ich verharrte mit einem Arm in der Weste. Diesen Blick kannte ich.
Als ich den Newtons mitgeteilt hatte, dass ich im Sommer nicht aushelfen konnte – und sie also in der Hochsaison im Stich ließ –, hatten sie angefangen, Katie Marshall anzulernen, damit sie mich ersetzen konnte. Eigentlich konnten sie es sich nicht leisten, uns beide zu bezahlen, wenn also nicht so viel Betrieb war …
»Ich hätte dich noch angerufen«, fuhr Mrs Newton fort. »Ich glaube, heute wird eher ein ruhiger Tag. Mike und ich kommen bestimmt zurecht. Tut mir leid, dass du aufgestanden und hergekommen bist …«
An jedem anderen Tag wäre ich begeistert über diese Wendung. Heute dagegen … weniger.
»Na gut«, seufzte ich. Ich ließ die Schultern hängen. Was sollte ich jetzt machen?
»Das geht doch nicht, Mom«,
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