Bis(s) 3 - Bis(s) zum Abendrot
überraschen.
Ich wollte schon zum Veranstaltungsteil blättern, da fiel mein Blick auf die fette Schlagzeile des Aufmachers. Ich spürte, wie mich die Angst packte, als ich mich vorbeugte, um die Titelgeschichte zu lesen.
Seattle von grausamen Morden erschüttert
Vor nicht einmal zehn Jahren ging in Seattle der wohl schlimmste Serienmörder in der Geschichte der Vereinigten Staaten um. Gary Ridgway, der Green River Killer, wurde des Mordes an 48 Frauen überführt.
Und jetzt sehen wir uns mit der Möglichkeit konfrontiert, dass in diesem Moment eine noch schrecklichere Bestie in unserer geplagten Stadt ihr Unwesen treibt.
Die Polizei spricht im Zusammenhang mit den vielen Ermordeten und Vermissten der letzten Zeit nicht von einem Serienmörder. Jedenfalls noch nicht. Sie weigert sich zu glauben, dass ein solches Blutbad von einem Einzeltäter angerichtet worden sein könnte. Dieser Mörder – wenn es sich denn um eine einzige Person handelt – wäre dann allein in den letzten drei Monaten für 39 Fälle von Mord oder Verschwinden verantwortlich. Zum Vergleich: Ridgway brauchte 21 Jahre für seine 48 Morde. Wenn all diese Todesopfer auf das Konto eines einzigen Täters gehen, dann haben wir es hier mit dem brutalsten Serienmörder in der amerikanischen Geschichte zu tun.
Die Polizei neigt dagegen zu der Annahme, dass es sich um das Werk einer Bande handelt. Für diese Theorie sprechen die Zahl der Opfer und die Tatsache, dass es bei ihrer Auswahl kein Muster zu geben scheint. Von Jack the Ripper bis Ted Bundy galt: Die Opfer eines Serienmörders sind für gewöhnlich etwa gleich alt oder sie haben das gleiche Geschlecht oder die gleiche Hautfarbe – oder eine Kombination dieser drei Faktoren. Unter den Opfern der aktuellen Verbrechen findet sich alles von der 15 -jährigen Schülerin Amanda Reed bis zu dem 67 -jährigen pensionierten Briefträger Omar Jenks. 18 Opfer sind weiblich, 21 männlich. Sie sind ganz unterschiedlicher Herkunft und Hautfarbe: Es sind Weiße darunter, Afroamerikaner, Hispanoamerikaner und Asiaten.
Die Auswahl erscheint beliebig. Das Motiv liegt offenbar allein im Töten um des Tötens willen.
Weshalb also sollte man überhaupt an einen Serienmörder denken?
Es gibt genügend Parallelen in der Vorgehensweise, um zu belegen, dass die Verbrechen miteinander zusammenhängen. Alle Opfer waren so weit verbrannt, dass sie nur anhand ihrer Zähne identifiziert werden konnten. Die Tatsache, dass es jedes Mal zu einem größeren Brand kam, deutet darauf hin, dass irgendein Brandbeschleuniger im Spiel war, Benzin oder Spiritus; allerdings konnte bisher nichts dergleichen nachgewiesen werden. Alle Leichen wurden achtlos zurückgelassen, ohne dass der Täter sich die Mühe gemacht hätte, sie zu verstecken.
Noch schlimmer ist, dass die meisten Leichen Spuren brutaler Gewalt aufweisen: Knochen wurden durch enormen Druck zerquetscht und gebrochen. Die Rechtsmediziner nehmen an, dass diese Gewalttaten vor Eintreten des Todes stattgefunden haben, in Anbetracht der dürftigen Beweislage lässt sich darüber jedoch nichts Abschließendes feststellen.
Eine weitere Parallele, die auf einen Serienmörder hindeutet: Abgesehen von der Leiche selbst finden sich bei keinem der Verbrechen irgendwelche Spuren. Kein Fingerabdruck, keine Reifenspur, kein fremdes Haar am Tatort. Als die Opfer verschwanden, wurde kein Verdächtiger gesehen.
Und dann das Verschwinden selbst – man kann es kaum als unauffällig bezeichnen. Keines der Opfer ist als leichte Beute zu betrachten. Keine Obdachlosen oder jugendlichen Ausreißer, die man so leicht verschwinden lassen kann und die kaum je vermisst gemeldet werden. Die Opfer sind zu Hause verschwunden, aus einer Wohnung im dritten Stock, aus einem Fitnessclub, von einer Hochzeitsfeier. Der vielleicht unglaublichste Fall: Der 30 -jährige Amateurboxer Robert Walsh ging mit seiner Freundin ins Kino; ein paar Minuten nach Beginn des Films merkte die Frau, dass er nicht auf seinem Platz saß. Nur drei Stunden später wurde seine Leiche gefunden, als die Feuerwehr zu einem brennenden Müllcontainer dreißig Kilometer entfernt gerufen wurde.
Und es gibt noch ein weiteres Muster: Alle Opfer sind in der Nacht verschwunden.
Das Alarmierendste ist, dass es immer schneller geht. Sechs Morde wurden im ersten Monat verübt, elf im zweiten. Allein in den letzten zehn Tagen gab es 22 Morde. Und die Polizei ist noch keinen Schritt weiter als nach der Entdeckung der ersten
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