Biss der Wölfin: Roman
dran interessiert, normal zu sein.«
»Man merkt, dass du eine Mutter bist. Du verstehst Kinder viel besser, als ich’s tue.«
»Nein, aber ich verstehe den Standpunkt.« Ich zeigte mit dem Daumen auf Clay.
Joey versuchte sich an einem Lächeln. »Ja, wahrscheinlich. Und wenn ich Clay gewesen wäre, dann hätte ich Noahs Standpunkt mit Sicherheit besser verstanden. Ich wollte es ihm wirklich nur einfacher machen. Stattdessen habe ich ihn zu meinem Vater getrieben, was die Sache nicht besser gemacht hat.«
Joey trank einen Schluck Kaffee, den Blick gesenkt. »Ich hab’s persönlich genommen. Mein Sohn hat sich für meinen Vater entschieden, und mein Vater war’s zufrieden, ihn in der Nähe zu haben. Ich habe mich außen vor gefühlt. Albern bei einem Mann in meinem Alter, aber so war es nun mal. Jeder will irgendwo hingehören, und für Noah gilt das mehr als für die meisten Leute. Er hat sich einen Ort gewünscht, wo er zu Hause sein kann. Dad hat ihm einen gegeben. Ich hätte sie in Frieden lassen sollen. Stattdessen habe ich geschmollt wie ein Teenager. In den letzten paar Monaten habe ich die beiden kaum gesehen.«
»Hat Noah bei Dennis gewohnt?«
Joey schüttelte den Kopf. »Es war so geplant für die Zeit nach seiner Entlassung. Aber kein Bewährungshelfer hätte einen siebzehnjährigen Jungen mit so einer Vorgeschichte einfach einem Großvater überlassen, der gerade erst auf der Bildfläche aufgetaucht war.«
Siebzehn … Ich hatte ihn mir nicht so jung vorgestellt, aber nach allem, was Joey gesagt hatte, passte es wohl ins Bild.
Joey sprach weiter. »Das letzte halbe Jahr hat Noah seine Wochenenden bei Dad verbracht. Er hatte gerade seine erste Wandlung erlebt, und Dad hat versucht, ihm dabei zu helfen.« Er warf Clay einen kurzen Blick zu. »Er hat diese ganzen Lektionen verwendet, die Jeremy damals bei Nick und mir angewandt hat, als wir in dem Alter waren. Die übrige Zeit hat Noah in einer betreuten Wohngruppe gelebt. Am Montag hat Noahs Bewährungshelfer mich angerufen und gesagt, Noah wäre am Sonntagabend nicht aufgetaucht. Ich habe versucht, Dad anzurufen. Er hat sich nicht gerührt, und ich habe gedacht, das müsste wohl heißen, dass er noch in seiner Hütte war. Am Montagabend habe ich dann versucht, selbst hinzufahren, aber mein Auto hat es nicht geschafft. Ich habe mir da noch keine Sorgen gemacht. Ich war nur ärgerlich. Ich habe gedacht, Dad hätte Noah mit in die Wildnis genommen und es nicht nötig gehabt, rechtzeitig zurückzukommen.«
»Hat er so was schon vorher gemacht?«
Joey schüttelte den Kopf; die Linien auf seiner Stirn wurden tiefer. »Verantwortungslos war Dad nie. Es war einfach … In der Stimmung, in der ich war, wollte ich, dass er sich verantwortungslos benommen hatte – irgendeinen Beweis dafür, dass ich mich viel besser selbst um Noah kümmern sollte. Dann war es Dienstag, und ich habe angefangen, mir Sorgen zu machen. Und dann habe ich den Anruf gekriegt. Von Tesler. Sie hatten Noah und haben angefangen, Forderungen zu stellen.«
»Was haben sie dir über deinen Dad erzählt?«, fragte Clay.
»Sie haben gesagt, ihn hätten sie auch. Sie haben mich nur mit Noah reden lassen, aber … ich habe ihnen das mit Dad geglaubt. Ich habe es glauben wollen. Dann seid ihr hier aufgetaucht, seid zur Hütte gefahren und habt Dad gefunden.«
Es musste noch mehr zu erzählen geben, aber Joey war unverkennbar erschöpft. Der Rest konnte warten. Doch eine Möglichkeit gab es bei all dem, die angesprochen werden musste. Es war eine schwierige Frage. Ich schwamm etwas, als ich die richtigen Worte zu finden versuchte.
Dann übernahm Clay es, die Frage für mich zu stellen. »Irgendein Hinweis darauf, dass Noah sich von sich aus mit diesen Mutts zusammengetan hat?«
»Was?« Joeys Augen wurden so rund wie seine Brillengläser.
Ich schaltete mich hastig wieder ein. »Nicht, dass er Dennis selbst verletzt hätte oder irgendeine Vorstellung davon hatte, dass sie es tun würden, aber du hast gesagt, Noah wünscht sich verzweifelt, irgendwohin zu gehören, und Mutts wie diese werden immer versuchen, sich den Rudelinstinkt zunutze zu machen.«
»Und wenn er sowieso schon ein Krimin…«, begann Clay.
Ich trat ihn auf die Zehen. »Wenn er sich schon vorher hat verleiten lassen, gesetzwidriges Zeug zu tun, dann kann der ganze Tumult der Wandlung dazu beigetragen haben, wieder in so ein Leben zurückzukehren – sosehr er sich auch wünscht, da rauszukommen.«
Joeys
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