Biss sagt mehr als tausend Worte
spannte den Hahn der Desert Eagle und zielte auf das Fass.
»Bist du high oder was? Du kannst doch nicht dieses Ding hier drinnen abfeuern!«
»Nun, es gibt kannst nicht oder solltest nicht . Wahrscheinlich sollte ich es nicht tun.«
»Gib mir Deckung. Ich kipp das Fass um.«
Bevor Cavuto antworten konnte, nahm Rivera den Rand der Tonne und drückte mit aller Kraft dagegen. Sie war schwer und fiel hart um. Bummer und Lazarus rannten zum frei liegenden Deckel und kratzten daran.
»Okay?«, sagte Rivera.
»Los«, sagte Cavuto.
Rivera trat gegen den Rand des Deckels, der sich klappernd löste und mit einem dumpfen Schlag im dicken Staub am Boden landete. Bummer schob sich in das Fass, während Lazarus davor hin und her sprang.
Rivera zückte seine Waffe und trat vor, um in das Fass zu blicken. Zuerst begrüßte ihn ein Wust von grauem Haar, dann zwei leuchtend blaue Augen in einem breiten, wettergegerbten Gesicht.
»Also, das war doch eher unangenehm«, sagte der Kaiser um die schlabberige Hundesabberdusche herum, die Bummer ihm angedeihen ließ.
»Kann ich mir vorstellen«, sagte Rivera und ließ seine Waffe sinken.
»Möglicherweise bin ich auf Hilfe angewiesen, wenn ich mich aus diesem Behältnis befreien möchte.«
»Das lässt sich machen«, sagte Cavuto. Er rang einen schlimmen Anfall von mitfühlender Gänsehaut nieder, als er sich vorstellte, dass er eine ganze Nacht, vielleicht länger, kopfüber in einem Fass verbringen müsste. Der Kaiser und er waren ungefähr gleich groß. »Tut’s weh?«
»Ach, nein, danke der Nachfrage. Das Gefühl in Armen und Beinen habe ich schon vor einer ganzen Weile verloren.«
»Ich vermute mal, Sie sind nicht von ganz allein da reingekommen, oder?«, sagte Cavuto.
»Nein, das war nicht mein Werk«, sagte der Kaiser. »Ich wurde grob behandelt, doch es scheint mir das Leben gerettet zu haben. Im Fass war es zu eng, als dass einer von denen festen Zustand annehmen konnte. Hunderte von diesen Bestien
waren um mich herum. Aber die haben Sie beim Reinkommen bestimmt gesehen.«
Rivera schüttelte den Kopf. »Sie meinen die Katzen? Nein, da ist alles voller Spuren, aber der Keller ist leer.«
»Nun, das ist kein gutes Zeichen«, sagte der Kaiser.
»Nein, wohl nicht.« Rivera war abgelenkt. Er hatte mit dem Licht seiner Taschenlampe im Lagerraum herumgespielt, auf der Suche nach irgendwas, womit sie den Kaiser aus dem Fass befreien konnten. Er hielt den Lichtstrahl auf eine Stelle am Boden bei den Regalen gerichtet, wo der Staub nicht durch ihre Rettungsversuche aufgewirbelt war. Dort sah er – so deutlich wie einen Gipsabdruck, den er zum Muttertag nach Hause schicken konnte – einen menschlichen Fußabdruck. »Das ist ganz und gar kein gutes Zeichen«, sagte er.
Von draußen, vor dem Fenster, hörten sie Marvin dreimal kurz nacheinander bellen, was Rivera für eine Warnung hielt, was aus dem Hündischen übersetzt jedoch bedeutete: »Hey, krieg ich hier draußen jetzt einen von diesen blöden Keksen, oder was?«
15
Kopf in den Wolken und umgekehrt
Tommy
Es waren die Worte, die Tommy zurückholten. Sie waren ihm in der einen Woche im Getümmel der Vampirkatzen abhandengekommen, und davor schon wochenlang, als er in der Bronze festgesteckt hatte. Nach der Befreiung verwilderte sein Geist, aber auch sein Körper. Zum ersten Mal, seit Jody ihn verwandelt hatte, baute er auf seine Instinkte, und diese hatten ihn zu dem riesigen, rasierten Vampirkater Chet und seiner Sippe geführt. Von denen hatte er gelernt, seine Vampirsinne zu gebrauchen, ein Jäger zu werden. Und bei ihnen machte er zum ersten Mal blutige Beute: Mäuse, Ratten, Katzen, Hunde und – ja – Menschen.
Chet war das Alphatier des Rudels, Tommy das Betamännchen, erreichte jedoch bald einen Level, auf dem er Chets Stellung gefährden würde. Die Ironie des Schicksals wollte es, dass Chet ihn zurück zu den Worten führte, die ihm wiederum seinen Verstand zurückgaben. In der Wolke, verwoben mit den anderen Tieren, fühlte er, was sie fühlten, wusste, was sie wussten. Chet kannte Worte und verlieh seinen Ideen und Erfahrungen Worte, wie es die Menschen taten – genau das, was Tommy anfänglich daran gehindert
hatte, sich in Nebel zu verwandeln. Als Mensch, der die Grammatik tief in sich aufgesogen hatte, gab er allem ein Wort, und wenn er als Schriftsteller ein Erlebnis nicht mit einem Wort benennen konnte, hatte es für ihn keinen Wert. Doch um Nebel zu werden, musste man schlicht
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