Biss sagt mehr als tausend Worte
»Versteck Abby!«
»Sie verstecken? Wo denn? Der Schrank ist voll mit irgendwelchem Medizinscheiß.«
»Zwischen Lattenrost und Matratze. Sie ist dünn. Quetsch sie dazwischen.«
»Wie soll sie atmen?«
»Sie muss nicht atmen.«
»Praktisch.«
Jared ging ins Schlafzimmer, Fu zur Gegensprechanlage.
»Wer ist da?«, sagte er, als er auf den Knopf drückte. Er hätte eine Kamera installieren sollen. Die Dinger waren leicht anzuschließen, und bei Stereo World bekam er Rabatt. Zu dumm.
»Lass mich rein, Steve! Hier ist Tommy.«
Einen Moment dachte Fu, er müsste sich ein bisschen in die Hosen pinkeln. Der High-Intensity-UV-Laser war noch nicht fertig, und Abby hatte ihre Sonnenjacke nicht dabei. Er war wehrlos.
»Ich kann verstehen, wieso du vielleicht sauer sein könntest«, sagte Fu, »aber es war Abbys Idee. Ich wollte dich wieder menschlich machen — wie du es dir gewünscht hast!« O Scheiße, o Scheiße, o Scheiße. Tommy würde ihn umbringen. Es war erniedrigend. Der Typ hatte noch nicht mal ein
Vordiplom. Er würde von einem untoten Angloamerikaner ermordet werden, einem pseudokunstschaffenden Einfaltspinsel, der Gedichte rezitierte.
Wieder ging der Summer. Fu zuckte zusammen und drückte den Sprechknopf.
»Ich wollte es nicht tun. Ich habe ihr gesagt, dass es grausam ist, euch da reinzustecken.«
»Ich bin nicht sauer, Steve. Ich muss Jody sprechen.«
»Die ist nicht hier.«
»Das glaube ich dir nicht. Lass mich rein.«
»Ich kann nicht. Ich hab zu tun. Was Wissenschaftliches, was du nicht verstehen würdest. Geh lieber weg.« Okay, jetzt war er selbst der Einfaltspinsel.
»Ich könnte reinkommen, Steve, unter der Tür oder durch die Fensterspalten, aber wenn ich dann wieder Gestalt annehme, bin ich nackt. Das will doch keiner sehen.«
»Du weißt gar nicht, wie das geht.«
»Ich hab’s gelernt.«
»Oh, cool«, sagte Fu. O Scheiße, o Scheiße, o Scheiße. Konnte er die Tür versiegeln, bevor Tommy hereinsickerte? Der große Raum war schon abgedichtet, damit der Rattennebel nicht entkommen konnte.
»Lass mich rein, Fu! Ich muss mit Jody sprechen, und ich muss was trinken. Du hast doch noch welche von diesen Blutbeuteln, oder?«
»Nein. Tut mir leid, sind alle verbraucht. Und Jody ist nicht hier. Und wir haben überall im Loft Sonnenlampen installiert, Tommy. Die würden dich toasten.« Er hatte noch Blutbeutel. Tatsächlich war sogar noch etwas von dem Blut mit dem Schlafmittel da, das er Abby gegeben hatte.
»Steve, bitte, ich bin verletzt und ausgehungert, und ich musste mit einer Meute Vampirkatzen in einem Kellerloch hausen, und wenn ich mich in Nebel verwandle, werden mir bestimmt auch noch meine neuen Sachen geklaut, während ich oben bin und dir mit baumelndem Geläut das Genick breche.«
Fu versuchte, sich einen besseren Bluff einfallen zu lassen, als plötzlich ein dunkler Ärmel an ihm vorüberzuckte und er die Haustür summen hörte. Er sah zu Jared auf. »Was, zum Teufel, tust du?«
»Hi«, sagte Tommy in Fus Ohr.
»Er klang so traurig«, sagte Jared.
Die Alten
Bei Sonnenuntergang erwachten die drei in ihrer Titangruft unter der Hauptkabine und checkten die Monitore, die wie ein Nervensystem mit sämtlichen Extremitäten des schwarzen Schiffes verbunden waren.
»Alles klar«, sagte der Mann. Er war groß und blond und zu Lebzeiten schlank gewesen, also war er es auch jetzt, würde es für immer bleiben. Er trug einen schwarzen Seidenkimono.
Die beiden Frauen öffneten die Luke und betraten etwas, das wie ein begehbarer Kühlschrank aussah. Der Mann schloss die Luke, drückte einen Knopf, der hinter einem Regal verborgen war, und eine Stahlplatte schob sich vor die Luke. Sie verließen den Kühlraum und traten in die leere Kombüse hinaus.
»Ich hasse das«, sagte die afrikanische Frau. Im Leben war sie Äthiopierin gewesen, von königlichem Geblüt, mit
hoher Stirn und großen Katzenaugen. »An dieses Gesicht hat Salomon sein Herz verloren«, hatte Elijah gesagt und ihr Gesicht mit den Händen umschlossen, als sie starb. Und so nannte er sie Makeda, nach der legendären Königin von Saba. An ihren richtigen Namen konnte sie sich nicht erinnern, denn sie hatte ihn nur achtzehn Jahre gehabt und war nun schon sieben Jahrhunderte Makeda.
»Diesmal ist es was anderes«, sagte die zweite Frau, eine dunkelhaarige Schönheit, die auf der Insel Korsika geboren war, hundert Jahre vor Napoleon. Ihr Name war Isabella gewesen. Elijah hatte sie stets Belladonna gerufen. Sie
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