Bissgeschick um Mitternacht
einen besorgten Blick zu. »Keiner weiß, was uns morgen früh erwartet. Ich fürchte nur, nach der Verpuppung wird sich einiges ändern«, sagte Elvira schließlich. Ihre Augen schimmerten traurig und dunkelblau, als müsste sie von ihrer eigenen Kindheit Abschied nehmen.
»Aber was auch passiert, ob einer von euch Vampir wird und der andere Mensch, ob ihr beide echte Vampire werdet oder der schlimmste Fall eintritt und ihr beide nach der Verpuppung als Menschen zurückkehrt«, sagte Mihai Tepes und bemerkte den verstörten Blick seiner Frau gar nicht, »ihr seid und bleibt unsere Töchter. Natürlich hat Elvira recht, dass sich einiges ändern wird. Aber unsere Liebe zu euch wird sich niemals ändern.«
Oma Zezci seufzte.
Elvira ergriff Mihais Hand, nickte und blinzelte die Tränen weg.
Silvania und Daka sahen einander an. Die Zwillinge dachten im Moment beide an ihren Besuch beim Wahrsager und Wünscheerfüller Ali Bin Schick. Damals hatte sich Daka gewünscht, ein Vampir zu sein, und Silvania, ein Mensch zu sein. Doch bei einem Schlagertänzchen hatte Ali Bin Schick die Wünsche vertauscht. Daka hatte sich in einen fluglahmen Menschen und Silvania in einen blutrünstigen Vampir verwandelt. Natürlich waren beide über diese Wandlung todunglücklich gewesen. Doch nicht nur das. Ihnen war dabei auch klar geworden, dass sie weder Mensch noch Vampir sein wollten, sondern genau das, was sie waren: Halbvampire. Damals hatten sie zum Glück mithilfe von Ludo einen Weg gefunden, wie sie die Wünsche rückgängig machen konnten.
»Und was passiert, wenn die Verpuppung nicht stattfindet?«, fragte Silvania.
»Ja, was, wenn wir einfach Halbvampire bleiben?«, wollte Daka wissen.
Mihai Tepes sah seine Töchter mitleidig an. »Dann kann es passieren, dass ihr euer ganzes Leben lang mit hormonellen Haudegen zu kämpfen habt.«
»Natürlich kann es auch sein, dass sich die Hormone von selbst wieder etwas beruhigen, aber genauso gut kann es sein, dass alles noch schlimmer wird«, fügte Elvira Tepes hinzu.
»Schlimmer?« Silvania sah ihre Eltern mit großen Augen an.
»Ganzkörperbehaarung, Ganzkörperbepickelung, unbändige Blutlust, Eckzähne bis zu den Knien, Wölkchen aller Couleur aus allen möglichen Körperöffnungen ...«, begann Oma Zezci aufzuzählen.
Daka winkte schnell ab. »Schon gut, wir haben verstanden.«
»Wenn ihr heute Nacht die Verpuppung nicht durchmacht«, sagte Oma Zezci, »steckt ihr womöglich euer Leben lang in der Pubertät fest. Ich kann euch dazu nur sagen: Ich habe mal zwanzig Minuten lang im Tauerntunnel festgesteckt, und das war schon eine finstere Angelegenheit.«
Silvania und Daka sahen sich ernst an. Auch, wenn sie beide eigentlich lieber Halbvampire bleiben wollten – ein Leben lang mit plötzlichen Hormonattacken kämpfen wollten sie dennoch nicht.
Alles war besser als der erbärmliche, wehrlose Zustand, in dem sie sich jetzt befanden. Schon allein die Vorstellung, dass er auch nur noch ein paar Tage, geschweige denn Monate und Jahre anhalten könnte, war kaum zu ertragen. Dann gingen sie lieber als richtiger Mensch oder flogen als echter Vampir durchs Leben.
Langsam nickten die Vampirschwestern.
»Ropscho. Wir machen es«, sagte Daka.
»Wer von euch hängt uns auf?«, fragte Silvania.
»Ich habe diese große Ehre«, erwiderte Oma Zezci.
Mihai Tepes' Lakritzschnauzer bebte, so gerührt war er, wie mutig und einsichtig seine Töchter waren. »Oma Zezci wird mit euch gleich nach dem Abendessen zu einem geheimen Ort fliegen, euch einwickeln und aufhängen. Im Morgengrauen wird sie uns zu dem geheimen Ort führen und wir werden euch gemeinsam wieder abhängen und auspacken.«
»Und dann gehen wir nach Hause und feiern euren 13. Geburtstag«, sagte Elvira.
»Oder wir fliegen nach Hause«, ergänzte Mihai.
Die Vampirschwestern nickten nur. Die bevorstehende Verpuppung hatte ihnen sowohl die Sprache verschlagen als auch den Appetit verdorben. Sie aßen nur ein paar Häppchen, dann machten sie sich für ihren nächtlichen Ausflug mit Oma Zezci zurecht, der über ihr ganzes zukünftiges Leben entscheiden sollte. Tausend Gedanken schossen ihnen dabei durch den Kopf. Sicher hätte es geholfen, wenn sie sich ausgetauscht hätten. Doch es waren so viele Gedanken, dass sie nicht wussten, welchen sie herauspicken und miteinander teilen sollten.
Da keine Zeit mehr für einen Besuch bei Helene oder Ludo blieb und sie zu aufgewühlt zum Telefonieren waren, schickten die Vampirschwestern
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