Bissig! (German Edition)
Wollten sie ihn einfach nur beseitigen? Trotzdem hatte AVA Usher gerade für eine Untersuchung oder Prozedur vorbereitet, als das Team ihn befreite. Ihnen fehlte leider ein Vergleichsfall, um festzustellen, ob dieser undurchsichtige Brite dieselbe Behandlung bekommen hatte wie die anderen Opfer. Die Sache wurde immer komplizierter.
„Na ja.“ Jetzt grinste Usher und sah ihm erneut in die Augen. Wieder setzte Jess' Herz einen Schlag aus. Nein, verdammt noch einmal. Der Mann war ein Schürzenjäger, kein Keeper. Finger weg!
Moment. „Finger weg“ bedeutete, dass er schon erwogen hatte, etwas mit Usher anzufangen, analysierte sein kleiner, fieser Psychologenteufel im Kopf. Ein verhaltenes Lachen holte Jess zurück in die Realität. Offenbar amüsierte sich Usher wieder einmal.
„Also, Jess, du bist ein Träumer. Du fragst mich etwas und dann starrst du sofort danach ins Leere.“
„Entschuldige, Usher. Wir waren bei deinem Job stehengeblieben.“ Jess wollte gar nicht auf diese Feststellung eingehen.
Usher stützte sich auf den Tisch und kam sehr nah mit seinem Gesicht. „Wenn ich dir sage, dass mein Job darin besteht, übernatürliche Wesen aufzuspüren und eventuell zu bekämpfen, dann wirst du mich auslachen.“
Bitte was? Hatte Jess das richtig verstanden? Ein Frosch im Hals kitzelte plötzlich und er hustete los. Langsam beruhigte er sich wieder.
„Also, du suchst Vampire und Zombies und so etwas?“
„Mit Zombies habe ich mich bisher noch nicht beschäftigt, von daher stimmt die Aussage nur teilweise“, meinte Usher ernst.
Hätte Jess ein schwaches Herz gehabt, stünde jetzt mit Sicherheit ein Anfall auf dem Programm. Zum Glück war das nicht der Fall, also atmete er tief durch und spielte im Kopf verschiedene Varianten durch.
Erstens: Usher hatte Wahnvorstellungen, entweder bedingt durch die Behandlung im Labor - oder er hatte schon immer einen Schlag weg. Das würde vielleicht auch diesen sexuellen Drang erklären. Die zweite Möglichkeit bestand darin, dass Usher nicht log. Das FBI hatte schließlich einige Akten mit eigenartigen Fällen in einem verstaubten Archiv. Als letzte Alternative blieb nur, dass Nummer zwei einfach lächerlich war, ergo musste Usher verwirrt sein.
„Du glaubst mir nicht, Jess.“ Usher lächelte sanft. „Du hältst mich für verrückt. Ich sehe es an deinem Blick.“ Und wieder spürte Jess Ushers kräftige Hand auf seinem Arm, die ihn streichelte.
Ungehalten entzog Jess sich der Berührung. „Usher, wir sind hier in den Staaten. Solche Zuwendungen in der Öffentlichkeit können arge Probleme bereiten. Außerdem hättest du jetzt die Chance, mich davon zu überzeugen, dass dein Kopf nichts abbekommen hat.“
„Ich habe dich doch nur ganz normal angefasst. Würde ich dich auf den Tisch knallen und vor aller Augen durchvögeln, sähe es wohl anders aus.“ Ushers Gesichtsausdruck zeugte davon, dass er sich das gerade ausmalte.
„Darf man hier einen Ständer haben?“, fragte er schmunzelnd. Anscheinend war ihm sein Schwanz wichtiger als sein Geisteszustand. Ein Schauer durchfuhr Jess.
„Okay“, setzte Usher dann endlich an, als von ihm keine Reaktion folgte. „Es existiert eine magische Welt, von der nicht viele wissen und das soll auch so bleiben. Ich arbeite mit Vampiren, Dämonen und noch anderen paranormalen Wesen. Es gibt die klassischen Lager von Gut und Böse. Die dunkle Seite ist mein erklärter Feind, aber es geht hauptsächlich darum, das Gleichgewicht der Kräfte zu wahren. Meine Organisation steht über allen Regierungen der menschlichen Welt. Das ist so real wie dein Job.“
Jess wäre fast etwas aus dem Gesicht gefallen. Der Kerl war gefährlicher, als er gedacht hatte. Hochgradig verrückt. Er musste herausfinden, wie weit dieser Wahn ging. Usher war gut trainiert und konnte wirklich zu einem ernsthaften Problem werden. Vor allem wirkte er sehr intelligent, was die Gefahr noch potenzierte. Ushers Blick ging ihm viel zu tief.
„Welche Organisation?“, fragte Jess möglichst unbewegt.
„Hast du schon von den Tempelrittern gehört? Den Orden gibt es seit der Zeit der Kreuzzüge, falls es dir etwas sagt. Allerdings war es nur eine Verbeugung vor den tapferen Kämpfern, dass die Magier sich ihnen angeschlossen haben. Außerdem brauchten sie menschliche Beschützer ihrer Sache, weil sie selbst sich nicht mehr in dieser Welt zeigen konnten.“
Grinsend deutete Usher an, sich zu bekreuzigen. Diese Geste bedeute ihm anscheinend nicht viel.
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