Bissige Spiele (German Edition)
und lehnte sie gegen die Wand. Die Straßen waren wie ausgestorben. Wieder Glück. Doch ich wollte mein Glück nicht auf die Probe stellen, so dass ich beschloss, meine nächste Bekanntschaft in ihren eigenen vier Wänden ihrem Atemzug zu entledigen. Für einen Moment blieb ich noch stehen und betrachtete sie. Wie die alte Frau im Zug lächelte auch sie. Wer war sie wohl? Hatte sie Geschwister, wer waren ihre Freunde? Wo würde man sie morgen vermissen? Wer weinte um sie?
Traurige Fragen, die beinahe durch das Lächeln neutralisiert wurden und mir selten so wenig ausgemacht hatten, wie hier und jetzt.
Nach und nach gewöhnte ich mich an ein bestimmtes Ritual. Meine kleinen Ablenkungen mit Frauen waren spannend und unmoralisch. Kaltblütig wie ein normaler Vampir lud ich sie zu einem Drink ein und ging anschießend ohne Umschweife mit in ihre meist kleinen Wohnungen überall in Madrid, schlitzte sie an sämtlichen Stellen auf, saugte und befriedigte ihre körperliche Lust an Bissen, ahnungslos wie sie waren, und nahm anschließend ihren Körpersaft zum Besten.
Hugh wäre stolz auf mich gewesen.
Auch heute guckte ich mir bereits eine Blondine im Publikum aus und ging mit meinem üblichen Abschleppdrink auf sie zu, als ich plötzlich an einem kleinen Nischentisch vorbeiging und abrupt stehen blieb.
Trotz der Dunkelheit konnte ich zwei strahlendblaue Augen in dem zarten Gesicht erkennen, die mich bewundernd ansahen. Das Glas rutschte mir aus den Händen. Er schnappt flugs danach und schüttelte den Kopf.
„Als Barkeeper würdest du nicht durchgehen, aber spielen tust du grandios.“
Schon wieder war ich beschämt und es nervte.
Miguel zog den Stuhl neben sich vom Tisch weg und signalisierte mir, ich möge mich setzen. Verdutzt ließ ich mich auf den Stuhl sinken.
„Seit wann bist du hier?“, fragte ich so locker wie möglich.
„Lang genug, um dich spielen zu hören. Hast du mich nicht entdeckt?“
„Nein!“, sagte ich vorwurfsvoll.
„Ist nicht das erste Mal. Du bist nicht gerade ein anständiger Vampir!“
Ein Fauchen rann aus meiner Kehle. Hatte er mir etwa nachspioniert?
„Ganz ruhig! Ich verrats keinem! Waren sie alle gut?“
Nase rümpfend bestätigte ich seine Vermutungen, doch wohl fühlte ich mich dabei nicht. Eher ertappt und schlagartig auch abhängig von seinem Vertrauen.
„Wie viele hast du mitbekommen?“
„Alle. Von Anfang an!“
„Was?“ Wie konnte ich nichts bemerkt haben? Von Anfang an?! Miguel hatte mir schon beim ersten spanischen Mädchen zugesehen?! Wie konnte ich nur so blind gewesen sein? Vampirfähigkeiten? Blödsinn! Wütend über meine Naivität lehnte ich mich zurück und schüttelte nachdenklich den Kopf.
„Was versuchst du eigentlich zu vergessen? Du kannst es mir ruhig sagen, David!“
Mein Name klang so sanft und ebenso anmutig, wie Miguel in seinen Hosenträgern und seinem weißen Hemd vor mir saß. Es war das erste Mal, dass er ihn ausgesprochen hatte und ich hatte bemerkt, wie ich unter ihm zusammen zuckte.
Wieder schürzte er die Lippen und sah dabei zauberhaft aus.
Sollte ich ihm wirklich von Sara erzählen? Ihm, den ich nur ein einziges Mal gesehen hatte? Und was würde er von mir denken, wenn ich von meinem pochenden Herzen, dem Orakel, der Verwandlung und von Hugh erzählen würde?
Ich schwieg.
Nicht, dass ich noch weitere Treffen gebraucht hätte, um ihm mehr von mir erzählen zu können, sondern weil es eigentlich keinen Grund gab, irgendetwas von meiner Vergangenheit zu erzählen. Sie war schlicht und ergreifend einfach nur passé!
Jetzt sah ich ihn! Diesen jungenhaften, stillen Vampir, der beinahe das schönste Wesen war, das ich je gesehen hatte. Nie zuvor hatte ich mich für Vampire begeistert. Nicht für weibliche und schon gar nicht für männliche. Aber dieser hier war anders. Oder war ich es, der sich in seiner Gegenwart anders fühlte?
Und fühlte Miguel genauso abnorm wie ich?
„Warum bist du gekommen?“ Fragen konnte man ja.
„Weißt du das nicht?“
Mir wurde schlecht! Alles ging so schnell. Ich konnte kaum glauben, wie mir geschah.
Die Musiker fingen wieder an zu spielen, diesmal ohne mich, und obwohl es so laut im Club war, man verstand sein eigenes Wort nicht, hörte und spürte ich nur jede einzelne Bewegung von IHM. Meine Konzentration war voll und ganz Miguel gewidmet, auch wenn ich nicht zu ihm sah. Nur hin und wieder lunste ich blitzschnell zu ihm und erhaschte einen Moment lang das faszinierende Wesen an meiner
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