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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Verdacht stand, Charlie oder den Roten Khmer zu helfen. Leute verhört .« Er lacht bitter auf. »Was nichts anderes heißt als gefoltert.«
    »Und mein Vater hat da mitgemacht?«
    Er nickt langsam. »Das war sein Job, wissen Sie? Diese Scheiße ist auch da passiert, wo ich war. Ganz besonders das Erschießen von Gefangenen, damit man sie nicht mit sich rumschleppen musste. Wenn der falsche Offizier einen dabei beobachtet hat, konnte man ganz schön in Schwierigkeiten kommen. Bei Luke war das anders. Bei den White Tigers waren es die Offiziere, die diesen Scheiß befohlen haben. Sie haben Köpfe abgeschnitten und auf Pfähle gesteckt, um die Roten Khmer abzuschrecken. Mädchen aus den Dörfern entführt und dazu benutzt, sich zu entspannen. Sie haben …«
    »Augenblick mal«, unterbreche ich ihn. »Sie meinen, die White Tigers haben Frauen entführt und vergewaltigt?«
    Jesse nickt, als wäre es keine große Sache. »Sicher. Auf diese Weise haben die Offiziere ihre Leute belohnt. Wenn die Jungs gute Arbeit geleistet hatten, durften sie sich ein Mädchen aus dem Dorf aussuchen und es ein paar Tage bei sich behalten.«
    »Was geschah anschließend? Nachdem sie mit dem Mädchen … fertig waren?«
    Jesse hebt die Hand und macht eine rasche schlitzende Bewegung über die Kehle. Die Gefühllosigkeit in seinen Augenjagt mir Schauer über den Rücken. »Ich hab Ihnen doch gesagt, dass die Tigers schlimmen Scheiß gemacht haben.«
    »Was hat mein Vater dazu gesagt?«
    Jesse zuckt die Schultern. »Er gab der Regierung die Schuld. Die Regierung war’s schließlich, die Ihren Vater in diesen Mist gesteckt hatte. Er hatte nicht darum gebeten. Und was hätte er schon dagegen tun können? Weit draußen im Busch … die gesamte Operation illegal … nur der Commander hatte ein Funkgerät. Also tat Luke, was man ihm befahl, und sah zu, dass er heil wieder rauskam.«
    »Was ist mit der Untersuchung wegen Kriegsverbrechen? Wer hat die veranlasst?«
    »Irgendeine Ratte in Lukes Einheit, schätze ich. Irgendjemand, der wollte, dass sein Name in den Berichten auftaucht.«
    Das klingt unlogisch in meinen Ohren. »Mir scheint eher, dass man sich mit so was ganz schnell um das eigene Leben bringt. Es muss jemand gewesen sein, dessen Gewissen nicht mehr mitgespielt hat. Deswegen hat er sich an die Öffentlichkeit gewandt.«
    Jesse schüttelt den Kopf. »Ich weiß nur, dass Luke eisern die Klappe gehalten hat, als er von der Regierung verhört worden ist. Die Regierung ließ die Angelegenheit fallen, Ende der Geschichte.«
    Jesse nimmt einen Zug von seiner Zigarette und inhaliert so tief, dass es scheint, als würde er sich vom Rauch ernähren. Während ich ihn beobachte, kommt mir der Gedanke, dass seine schlanke Gestalt nicht das Resultat einer gesunden Lebensweise ist. Mir scheint eher, als würde das Fett, das ein normaler Mann in seinem Alter hat, von einer tief sitzenden Wut verzehrt.
    »Glauben Sie …«
    »Weshalb sind Sie hergekommen?«, fragt Luke plötzlich heftig. »Sie sind jedenfalls nicht hier, um mit mir über Vietnam zu reden.«
    »Doch, bin ich.«
    Er stößt ein neuerliches bellendes Lachen aus. »Vielleicht glauben Sie, dass Sie deswegen hier sind. Aber hinter Ihren Fragen steckt mehr.«
    Ich wende den Blick ab in der Hoffnung, dass er die Schuldgefühle nicht bemerkt wegen dem, was mein Großvater mir heute erzählt hat. Denn das ist es, was ich fühle, erkenne ich. Schuld. Das ist der Grund, warum ich Jesse diese Fragen stelle. Wenn mein Vater wirklich diese Dinge mit mir angestellt hat, muss irgendetwas ihn dazu getrieben haben. Und wenn es nicht der Krieg war, was sonst könnte es dann gewesen sein außer mir selbst? Ich habe mich schon immer nach Aufmerksamkeit und Liebe gesehnt, und ich war immer sehr sinnlich …
    »He«, sagt Jesse. »Sie sehen aus, als würden Sie jeden Augenblick anfangen zu heulen.«
    Ich lege den Kopf in den Nacken und blinzle die Tränen zurück. »Sie haben Recht«, sage ich. »Ich weiß nicht genau, warum ich hergekommen bin. Ich hatte gehofft, dass … ich weiß nicht. Ich weiß es nicht.«
    »Sie suchen nach einer Erklärung dafür, wie Luke war? Sie hatten gehofft, ich würde Ihnen erzählen, dass er ein Heiliger war oder irgendwas, hinter seinem verschlossenen Gesicht? Das war er nicht. Er war ein ganz normaler Kerl, genau wie ich. Wir alle haben tief in uns gute und böse Seiten.« Er zeigt mit dem Finger auf mich, und ich bemerke den langen Nagel. »Aber ich sage Ihnen

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