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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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nicht wahr? Das Wichtigste von all den Dingen, die ich ausgelassen habe, war das Vergnügen.«
    Ein kalter Schauer läuft mir den Rücken hinunter. »Das Vergnügen?«
    »Ja.« In Maliks Stimme schwingt mit einem Mal ein schlangenartiges Zischen mit. »Was wir sexuellen Missbrauch nennen, ist sowohl für den Täter als auch für das Opfer eine sehr intensive Erfahrung. Der Täter verspürt absolute Macht überein anderes menschliches Wesen, während das Opfer sich absolut hingibt. Absolut unterwirft. Die beiden Partner besetzen die Extreme von Kontrolle und Hilflosigkeit. Diese Erfahrungen prägen fürs Leben, Catherine. Und sobald ein sexualisiertes Kind herangewachsen und stärker ist, möchte es gleich als Erstes diese Rollen vertauschen. Kontrolle erfahren. Sie wissen, wovon ich spreche, Catherine, nicht wahr?«
    Ich antworte nicht, doch mein Verstand quillt bereits über von Erinnerungen an meine sexuelle Vergangenheit. An die Dinge, die ich tun wollte – und manchmal getan habe bei Männern –, und an die Dinge, die ich an mir getan haben wollte. Meine Fantasien haben sich meistens um Kontrolle gedreht. Entweder darum, sie zu besitzen, oder darum, sie aufzugeben. Darin bestand der größte Teil meines Vergnügens.
    »Ihr Schweigen verrät mir genug«, sagt Malik mit hypnotischer Stimme. »Ich musste mein Leben lang gegen diesen Drang ankämpfen. Es hat mich Jahre gekostet, ihn zu überwinden. Doch heute kenne ich meinen Feind. Es ist ein Gift, das durch die Generationen hindurch weitergegeben wird wie ein defektes Gen. Es lebt in mir, genau wie es in all den anderen lebt, die diese Erfahrungen gemacht und überlebt haben. Heute gilt mein ganzes Streben dem Ausrotten dieses Giftes. Es ist mein ganz persönlicher Krieg. Ich muss jetzt Schluss machen, Catherine. Rufen Sie mich an, sobald Sie kurz vor New Orleans sind.«
    In der Leitung ist ein Klicken, und Malik ist weg.
    »Du hast doch wohl nicht vor, diesen Kerl allein zu treffen?«, fragt Michael entschieden.
    Maliks Worte und sein Tonfall sind immer noch in meinem Kopf. »Du kommst nicht mit, Michael.«
    »Wenn nicht ich, dann jemand anders. Du solltest auf der Stelle das fbi anrufen und ihnen alles sagen. Und damit meine ich wirklich alles .«
    »Das kommt überhaupt nicht infrage. Noch nicht. Malik weiß Dinge, die ich wissen muss. Wenn ich das fbi jetztinformiere, werde ich diese Dinge niemals erfahren! Ich werde mich für den Rest meines Lebens so beschissen fühlen wie jetzt. Möchtest du das?«
    Sein Blick bohrt sich mit verblüffender Intensität in den meinen. »Ich möchte dich lebendig, nicht tot.«
    Ich nicke langsam. »Sean Regan.«
    »Ist das dein verheirateter Liebhaber?«
    »Ja, aber das hat damit überhaupt nichts zu tun. Sean ist für diese Art von Einsätzen ausgebildet. Er kann mich schützen, und ich kann darauf vertrauen, dass er den Mund hält.«
    Michael blickt mich unglücklich an, doch ich habe im Augenblick einfach nicht die Zeit, mich um seine Emotionen zu kümmern.
    »Darf ich deinen Wagen immer noch benutzen?«
    »Sicher.«
    »Danke. Ich muss nach Malmaison, bevor ich weiter nach New Orleans fahre.«
    Michael streckt die Hände aus und fasst mich an den Schultern. Sein Griff ist erstaunlich kräftig. »Versprichst du mir, dass du Sean mitnimmst, wenn du dich mit diesem Malik triffst?«
    Schon während ich es verspreche, weiß ich, dass es eine Lüge ist. Aber ich kann jetzt nicht riskieren, dass Michael die Nerven verliert und das fbi informiert. Er könnte der Polizei sein Kennzeichen nennen, und dann würde ich es nie bis New Orleans schaffen.
    »Warum musst du vorher nach Malmaison?«, fragt er.
    »Ich brauche ein paar Sachen zum Anziehen.« Eine weitere Lüge. Was ich von Malmaison brauche, hat es dort schon immer im Überfluss gegeben.
    Eine Waffe.

40
    D ie Morgendämmerung hat eben erst eingesetzt, doch die untere Etage von Malmaison ist bereits hell erleuchtet wie bei einem Fest am Königshof. Ich habe den gelben Lichthof schon gesehen, als ich von Michaels Haus in Brookwood aus zwischen den Bäumen hindurch dem alten Pfad gefolgt bin, den ich vor so vielen Jahren mit den eigenen Füßen getrampelt habe. Auch in Pearlies Haus brennen die Lichter.
    Mein Audi steht neben Pearlies Cadillac geparkt. Nicht weit davon steht ein großer, weißer Pick-up ähnlich denen, die auf der Insel benutzt werden – ähnlich dem, der mich zu überfahren versucht hat. Irgendjemand auf der Insel muss meinen Wagen entdeckt und zurückgebracht

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