Bisswunden
Display so hin, dass ich es sehen kann. »Kennen Sie diese Nummer?«
»Nein, aber das ist eine Vorwahl von der Golfküste. Es könnte meine Tante Ann sein. Ich habe ihr eine Nachricht hinterlassen, dass sie mich zurückrufen soll.«
Kaiser überlegt hastig, dann gibt er mir das Telefon. »Was auch immer Sie erzählen, sagen Sie ihr nicht, dass Malik tot ist!«
Ich nicke und nehme das Gespräch entgegen. »Hallo?«
»Hey, Cat Woman!«
Mein Herz hämmert ganz wild. Es ist tatsächlich Ann! Ich nicke Kaiser zu und sehe, wie er sich im Sitz neben mir anspannt.
»Wie geht es unserem kleinen Mädchen?« Anns Stimme klingt spröde, wie ich es von ihren manischen Phasen her kenne. Wie rede ich am besten mit ihr?
»Offen gestanden nicht so gut«, sage ich mit erschöpfter Stimme.
»Du klingst, als könntest du einen Drink gebrauchen.«
»Ich wünschte, ich hätte einen. Ich rühre keinen Tropfen mehr an.«
»Aua. In deiner Nachricht hast du angedeutet, du wüsstest etwas über Dr. Malik und mich. Was genau weißt du, Kind?«
»Ich weiß, dass du seine Kaution bezahlt hast. Das fbi weiß es ebenfalls.«
»Das ist nicht gegen das Gesetz, oder?«
Ihre Antworten kommen wie aus der Pistole geschossen. Sie ist definitiv manisch. »Dr. Malik ist in eine Reihe von Mordfällen verwickelt, Ann.«
Eine kurze Pause. Als sie wieder spricht, ist ihr Tonfall ironisch. »›Verwickelt‹ ist ein ziemlich dehnbarer Ausdruck, Baby Girl. Nathan hätte die Dinge niemals tun können, die das fbi ihm unterstellen will. Ich kenne die Männer, Honey. Er hat so etwas einfach nicht in sich.«
Ann kennt die Männer wie ein Brandstifter das Feuer, das ist wahr. »Ich habe in letzter Zeit ziemlich oft mit ihm geredet«, verrate ich ihr.
»Tatsächlich? Weißt du, wo er ist?« Eine Spur von Besorgnis jetzt.
»Ja.« Ich schließe die Augen. »Nathan Malik wurde erneut verhaftet.«
»Verhaftet?« Das Erschrecken in diesem einen Wort ist wie ein Schock. »Wo?«
»Hier in New Orleans. Ich denke, du solltest herkommen und ihn besuchen. Ich würde mich auch gerne mit dir unterhalten. Bist du in Biloxi?«
»Nein.«
»Bist du irgendwo in der Nähe von New Orleans?«
Erneutes kurzes Schweigen. Dann: »Sorry, Baby Girl. Ich denke nicht, dass ich dir im Moment alles erzählen kann. Du weißt ja selbst, wie das ist. Du hattest auch immer deine Geheimnisse.«
»Du hast Recht. Auch wenn ich heute manchmal wünschte, es wäre nicht so gewesen. Ich wünschte, wir alle hätten offener miteinander geredet.«
»Oh, Honey … ich auch. Ich wünschte, du könntest zu Nathan in eine Gruppentherapie gehen. Er hat bei mir Wunder bewirkt.«
»Das wollte ich auch«, sage ich. Es ist nur eine halbe Lüge. »Ich habe in den letzten Tagen ein paar Dinge über meine Vergangenheit herausgefunden, die mich ziemlich aufgewühlt haben. Ich würde dir gerne ein paar Fragen stellen. Um herauszufinden, ob dir ähnliche Dinge widerfahren sind.«
»Oh, Baby Girl«, sagt Ann mit hauchiger Stimme. »Ich habe mir ja solche Sorgen um dich gemacht! Aber du solltest wirklich mit Nathan über all diese Dinge reden, nicht mit mir.«
Erzählt sie mir etwa gerade, dass sie missbraucht worden ist? Warum sonst sollte sie sich Sorgen um mich gemacht haben? »Warum hast du dir solche Sorgen um mich gemacht, Ann?«
»Du bist mir so ähnlich, Cat. Gwen hat mir erzählt, man hätte bei dir Zyklothymie diagnostiziert, aber das ist nur ein anderes Wort für Bipolarität. Wir haben es in unseren Genen, Kind. Nathan ist der Experte auf diesem Gebiet. Ich bin nicht in der Verfassung, irgendjemandem zu helfen.«
Kaiser sieht mich an und formt lautlos Worte mit den Lippen. Es sieht aus wie Gruppe X.
»Dr. Malik hat mir von einer besonderen Gruppe erzählt. Gruppe X. Es klang ziemlich cool. Er hat mir auch von seinem Film erzählt und alles. Hast du dabei mitgemacht?«
Ann setzt zu einer Antwort an, dann verstummt sie wieder. Im leisen Rauschen der offenen Leitung kann ich spüren, wie sie lauscht. Sie lauscht mit der Konzentration eines manischen Bewusstseins in höchstem Fokus. Eine Gänsehaut überläuft mich. Ich kenne dieses Gefühl von Hyperkonzentration, zu der man auf dem manischen Plateau fähig ist. Wenn man auf das Gras lauscht, kann man es wachsen hören.
»Catherine?«, sagt Ann unvermittelt, und ihre Stimme klingt so gebietend, dass sie von meinem Großvater stammen könnte. »Was verschweigst du mir?«
»Was meinst du damit?«
»Du weißt genau, was ich
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