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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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unten suche, doch mir fällt keine ein. Wenn ich angehalten werde, muss ich irgendwie improvisieren.
    Ich betätige den großen Knopf, und ein elektrischer Motor setzt sich surrend in Bewegung. Das Tor vor mir gleitet genauso mühelos und leise in die Höhe wie mein elektrisches Garagentor zu Hause. Als die Unterkante knapp anderthalb Meter über dem Boden ist, drücke ich mich unter dem Tor hindurch und gehe die Rampe zum Parkplatz hinauf.
    Hannah fährt einen weißen Fünfer bmw, doch ich kann ihn nirgendwo sehen.
    Ich halte mich nach rechts, in Richtung Haupteingang der Außenstelle, während ich die Reihen geparkter Fahrzeuge absuche. Und dort sehe ich Hannahs »Beemer« rückwärts aus einer Parklücke ganz in meiner Nähe stoßen. Der Wagen kommt mir entgegen und hält an. Das Seitenfenster auf der Fahrerseite ist offen. Ich spähe über die Autodächer hinweg und sehe das Wachhaus am Haupttor. Ich kann nicht erkennen, ob der Wachposten mich beobachtet, doch er wird mich ganz sicher nicht zusammen mit Hannah wegfahren lassen, ohne vorher oben anzurufen.
    »Haben Sie den Kofferraum aufgeschlossen?«, frage ich durch das Fenster.
    »Ja. Allerdings fürchte ich, dass es ziemlich heiß und stickig sein wird.«
    Ich gehe zur Rückseite des Wagens und hebe den Kofferraumdeckel an, als würde ich etwas suchen. Dann atme ich tief durch, klettere in den beengten Raum, mache mich ganz klein und schließe den Deckel über mir.
    Ich habe eine Reihe mentaler Probleme, doch Klaustrophobie gehört nicht dazu. Ich wäre keine gute Freitaucherin, wenn ich das Eingeschlossensein in einem kleinen Raum nicht ertragen könnte. Die Leute stellen sich den Ozean im Allgemeinen nicht als kleinen Raum vor, doch wenn man hundert Meter unter der Oberfläche ist und das kalte Wasser einen zu Brei zu zerquetschen droht, dann fühlt man sich verdammt eingeschlossen.
    Hannah hält am Tor.
    Ich schließe in der Dunkelheit die Augen und sende meine Gedanken zu meinem geheimen Zufluchtsort, jener senkrechten weißen Wand aus Korallen, an der entlang ich tiefer und tiefer tauche, bis das Blau des Ozeans dem Schwarz der Tiefe weicht und Verzückung meine Sinne verschwimmen lässt. Bis ich mich eins fühle mit der Schöpfung. Wenn der Wachposten mich jetzt noch hier im Kofferraum entdeckt, dann ganz bestimmt nicht, weil er meine Anwesenheit gespürt hat.
    Ich bin nicht einmal hier.
    Der bmw setzt sich ruckend in Bewegung und reißt mich aus meiner Trance. Nach ein paar Holperschwellen rollen wir mit zügiger Geschwindigkeit davon. Jedes Mal, wenn wir anhalten, bin ich sicher, dass Hannah jetzt aussteigen und mich aus meinem Gefängnis befreien wird, doch das tut sie nicht. Einen irrationalen Augenblick lang befürchte ich, dass sie mich an das nopd ausliefern könnte, doch das ist verrückt. Sie sucht lediglich nach einem sicheren Ort, um mich aussteigen zu lassen.
    Endlich hält der bmw an und fährt nicht wieder los.
    Ich höre, wie die Fahrertür geöffnet wird und sich dannwieder schließt. Dann klappt der Kofferraumdeckel hoch, und grelles Sonnenlicht lässt mich schmerzhaft blinzeln. Eine dunkle Silhouette nimmt meine Hand und hilft mir, aus dem Kofferraum zu klettern. Die Bänder in meinen Knien knacken laut, als ich die Beine strecke.
    »Sie sind mir vielleicht eine«, sagt Hannah, als ich stehe. »Ich fühle mich wie Ingrid Bergman.«
    Wir sind nicht auf dem Flughafen. Wir stehen auf dem Parkplatz eines kleinen, exklusiveren Einkaufszentrums. Ich war ein paar Mal hier auf der Suche nach neuen Kleidern.
    Hannah bemerkt meine Unruhe. »Hier fallen Sie viel weniger auf als am Lakefront Airport. Da draußen ist nicht gerade viel los.« Sie drückt mir ein paar Geldscheine in die Hand. »Das sind achtzig Dollar. Warten Sie hier bis zum letzten Augenblick und rufen Sie dann ein Taxi, das Sie zum Flughafen bringt. Es sind weniger als zehn Minuten von hier aus.«
    Ich umarme sie dankbar, dann löse ich mich von ihr. »Verschwinden Sie jetzt besser, Ingrid. Sie haben schon genug für mich getan.«
    Hannah nimmt meine Rechte in ihre beiden Hände und drückt sie fest. »Sie stehen dicht davor, die Wahrheit herauszufinden, Cat. Bitte erwarten Sie keinen blendenden Blitz der Erleuchtung oder augenblicklichen Seelenfrieden. In Fällen wie dem Ihren ist es erst der Anfang, endlich die Fakten aufgedeckt zu haben. Viele Opfer sexuellen Missbrauchs erhalten nie die Antworten, nach denen sie so verzweifelt suchen.«
    »Ich habe mich so viele Jahre verloren

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