Bisswunden
alles in Ordnung, Cat?«
»Ja und nein. Meine Tante Ann ist tot, und die Dinge spielen im Augenblick ziemlich verrückt. Ich bin in New Orleans, und ich muss unbedingt zurück nach Natchez. Die Polizei sucht im Moment noch nicht nach mir, aber das wird sie bald. Wäre es vollkommen unverschämt von mir, wenn ich dich erneut um Hilfe bitte?«
Michael lässt sich einen Augenblick Zeit, um die Neuigkeiten zu verdauen. »Wo in New Orleans bist du?«
»In der fbi-Außenstelle.«
»Wo ist die?«
»In der Nähe der University of New Orleans.«
»Die uno? Die liegt beim Lakefront Airport, nicht wahr?«
»Ja. Ich kann den Flughafen vom Fenster aus sehen.« Nicht aus dem Fenster des Büros, in dem ich jetzt bin, doch aus einem anderen Fenster in diesem Stockwerk.
»Wenn du zum Lakefront Airport kommen kannst, fliege ich runter und hole dich ab.«
Mein Puls beschleunigt sich. »Meinst du das ernst?«
»Sicher. Ich war schon einige Dutzend Male dort. Das letzte Mal habe ich mir die Dave Matthews Band in der uno angesehen.«
»Michael … bist du sicher, dass du das kannst?«
»Was wird die Polizei tun, wenn sie dich findet?«
»Mich ins Gefängnis stecken.«
»Was wird dir vorgeworfen?«
»Mord.«
»Hast du jemanden umgebracht?«
»Nein.«
»Dann helfe ich dir. Ich muss natürlich erst für Deckung sorgen. Ruf mich in einer Stunde auf dem Handy an. Bis dahin müsste ich in der Luft und auf dem Weg nach New Orleans sein. Von da aus sehen wir weiter. Falls es ein Problem mit den Telefonen gibt, schaff dich rüber zum Airport und achte auf die landenden Maschinen. Ich habe eine blau-weiße Cessna 210. Die Registrierung lautet N324MD.«
Als ich nach draußen in den Korridor trete, ist Hannah seit zehn Minuten gegangen. Sie wollte zuerst zu Kaiser und sich verabschieden, um dann langsam nach unten und zu ihrem Wagen auf dem Parkplatz zu gehen.
Meine Aufgabe ist es, mich bis zum Wagenpark des fbi durchzuschlagen, ohne von irgendjemandem gesehen zu werden, der mich kennt. Der Wagenpark nimmt einen großen Teil des Erdgeschosses ein und besitzt ein großes Tor, das sich zum Parkplatz hin öffnet. Ich war schon einige Male dort unten, als ich mit dem forensischen Team des fbi zu einem der Mordschauplätze des ersten Serienmordfalls gefahren bin, des Falls, bei dem ich Sean kennen gelernt habe.
Der Aufzug liegt nur zehn Meter von meiner Tür entfernt, und ich bin fast da, als ich hinter mir plötzlich John Kaisers Stimme höre.
»Cat? Wohin wollen Sie?«
Ich wende mich um und winke ihm zaghaft. Er steht vor dem Büro, das ich soeben verlassen habe, eine große Gestalt, die mich mehr als nur ein wenig an einen besorgten Vater erinnert.
»Mir ist schlecht. Ich muss zur Toilette.«
»Am Aufzug vorbei und dann die erste Tür rechts.« Er setzt sich in Bewegung und kommt zu mir. »Ist das Essen schon gekommen? Ist Ihnen vom Essen schlecht?«
Irgendjemand hat ein Tablett mit Sandwichs nach obengebracht, nachdem Hannah gegangen ist, doch ich habe sie nicht angerührt. »Nein. Ich wollte gerade anfangen zu essen, als mir plötzlich speiübel wurde.«
»Das könnte von dem Schlag auf Ihren Kopf herrühren. Ich wollte gerade zu Ihnen, um Ihnen das hier zu zeigen.« Er hält etwas in der Hand.
»Was ist das?«
»Die ersten Ergebnisse bezüglich der Kulturen, um die Sie gebeten haben. Der Speichel von den Bisswunden am Leichnam von Quentin Baptiste.«
Der tote Detective vom Morddezernat … Opfer Nummer sechs. »Oh, richtig. Was sagt der Bericht?«
Er reicht mir den Laborbericht. »Sagen Sie es mir.«
Ich überfliege die Buchstaben und Zahlen, während ich versuche, so zu tun, als wären meine Nerven nicht bis zum Zerreißen angespannt und als würde ich mich auf das Blatt in meinen Händen konzentrieren und nicht darauf, wie ich aus diesem Gebäude flüchten kann. Was ich dort vor mir sehe, das ist ein mikrobiologischer Schnappschuss eines durchschnittlichen menschlichen Mundes. Bis auf eine Ausnahme, heißt das.
»Seltsam.«
»Was?«, fragt Kaiser.
»Vielleicht ist es ein Versehen.«
»Was?«
»Nun ja, zwölf Stunden sind vielleicht ein wenig früh, aber wir müssten zumindest ein paar Streptococcus mutans auf dem Nährboden finden. Dieser Stamm gedeiht in praktisch jedem Mund, in dem es Zähne gibt. S. mutans gedeiht auf harten Oberflächen. Und S. mutans produziert die Säuren, die Löcher in den Zähnen verursachen.«
»Und er ist nicht dabei?«
»Nein.«
»Nun ja, wenn es kein Versehen ist, was
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