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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Aufwachen zu sein. Unter den Flaschen mit Chemikalien und den Instrumenten am Boden liegt auch eine Sprühflasche mit Luminol, einer giftigen Substanz, die benutzt wird, um unsichtbare Blutspuren nachzuweisen.
    »Hast du dieses Zeug versprüht, Natriece?«, frage ich das Mädchen.
    Natriece schüttelt feierlich den Kopf.
    Sanft nehme ich ihr die Kamera aus der Hand. »Es ist nicht schlimm, falls du es getan hast. Ich muss es nur wissen.«
    »Vielleicht ein klitzekleines bisschen.«
    Ich stehe auf und schlüpfe in meine Hose. »Das ist nicht schlimm, aber du musst aus dem Zimmer, während ich sauber mache. Das ist eine gefährliche Chemikalie in der Flasche.«
    »Ich helfe dir sauber machen. Ich weiß, wie man sauber macht.«
    »Ich sag dir was. Wir gehen deine Tante Pearlie besuchen, und dann gehe ich allein zurück und räume auf. Ich hab Pearlie schon lange nicht mehr gesehen.«
    Natriece nickt. »Tante Pearlie hat mir gesagt, hier wäre niemand. Sie hat nur aufgesperrt, um die Wäsche von Mrs. Ferry zu holen.«
    Ich nehme die Kleine bei der Hand und führe sie zur Tür, wo ich das Licht ausschalte, bevor wir nach draußen in den Flur treten. Natriece steht hinter mir und starrt zurück in das dunkle Zimmer. »Hast du irgendwas vergessen?«, frage ich.
    »Nein, Ma’am. Ich sehe mir nur das da an.«
    »Was denn?«
    »Das da. Hab ich das gemacht?«
    Ich blicke über den Kopf des Mädchens zurück in das Zimmer. Auf dem Boden in der Nähe des Fußendes meines Bettes fluoresziert etwas schwach grünlichblau in der Dunkelheit. Das Luminol hat mit irgendetwas auf dem Teppich reagiert. Die Chemikalie liefert falsche Positiv-Reaktionen mit mehreren verschiedenen Substanzen, eine davon gewöhnliche Haushaltsbleiche.
    »Schon gut«, sage ich zu Natriece, während ich bereits jetzt die Reaktion meiner Mutter auf das Chaos fürchte, das die Kleine angerichtet hat.
    »Unheimlich«, sagt Natriece. »Das sieht aus wie bei Ghostbusters oder so.«
    Ich trete um Natriece herum und blicke hinunter auf die Fluoreszenz am Boden. Sie ist nicht diffus, wie ich zuerst geglaubt habe, sondern zeigt definierte Umrisse. Plötzlich breitet sich in meinem Körper eine geradezu unheimliche Taubheit aus.
    Ich blicke auf einen Fußabdruck.
    Die gleiche Taubheit habe ich vor dreiundzwanzig Jahren gespürt, als mein Großvater sich von der ersten Leicheabwandte, die ich jemals im Leben gesehen habe. Als er sich vor mir hinkniete und sagte: »Baby, dein Daddy ist tot.«
    »Bleib zurück, Natriece.«
    »Ja, Missus.«
    Genau genommen ist es kein Fußabdruck, sondern ein Stiefelabdruck. Diese Tatsache springt mir nur deshalb ins Bewusstsein, weil inzwischen ein weiteres geisterhaftes Bild neben dem ersten Abdruck Gestalt angenommen hat. Das Bild eines nackten, sehr viel kleineren Fußes.
    Eines Kinderfußes.
    Mit langsamer Beharrlichkeit dringt ein prasselndes Geräusch in meine Konzentration. Ganz leise, fast unmerklich zuerst, dann lauter und lauter, bis es zu einem stetigen Rauschen angeschwollen ist. Es ist das Geräusch von Regen, der auf ein Blechdach trommelt. Was keinen Sinn ergibt, weil das Sklavengebäude erstens ein Ziegeldach besitzt und ich zweitens im Erdgeschoss stehe, nicht im ersten Stock. Doch ich kenne dieses Geräusch bereits, und ich weiß, was es zu bedeuten hat. Eine akustische Halluzination. Ich habe das gleiche metallische Prasseln vor einer Woche gehört, am Tatort des Nolan-Mordes, unmittelbar vor meiner Panikattacke. Ich habe hinuntergestarrt auf den nackten Leichnam des ehemaligen Wirtschaftsprüfers und …
    Schnelle Schritte reißen mich aus meinen Gedanken. Natriece rennt den Korridor entlang. Ein Schrei durchschneidet die Luft im Haus.
    »Nanna! Nanna! Nanna!«
    Ich blicke auf meine Uhr und warte, dass die leuchtenden Fußabdrücke verschwinden. Falsche positive Reaktionen verschwinden in der Regel schnell wieder, während die Lumineszenz, die von echtem Hämoglobin aus Blut hervorgerufen wird, wie ein anklagender Finger stundenlang sichtbar bleibt.
    Dreißig Sekunden vergehen.
    Ich blicke mich im Schlafzimmer um, jenem seltsamen Schrein meiner Kindheit. Dann sehe ich wieder zu der Stelleam Boden. Eine Minute ist inzwischen vergangen, und die Spuren sind kein bisschen verblasst.
    »Kommt schon«, flüstere ich. »Macht schon.«
    Meine Hände zittern. Ich will ebenfalls weglaufen, zu Pearlie rennen, aber ich bin kein Kind mehr. Meine Augen fangen an zu tränen vor Anstrengung. Könnte es sein, dass der kleinere Abdruck

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