Bisswunden
müsste.«
»Willst du bestreiten, was du getan hast? Das machen alle Kinderschänder. Sie schreien auf dem Weg zur Anklagebank, dass sie unschuldig sind. Sie schreien es wahrscheinlich noch dann, wenn sie endlich im Gefängnis sind und unter der Gefängnisdusche das erdulden müssen, was sie anderen angetan haben. Deiner Sorte ergeht es nicht allzu gut im Knast, Großvater.«
Noch nie in seinem Erwachsenenleben hat jemand gewagt, in diesem Ton mit Großvater zu sprechen, doch er richtet sich lediglich in seinem Sessel auf und lächelt mich kalt an. »Mir würde es überall auf der Welt gut ergehen, Catherine, das weißt du. Aber ich gehe nicht ins Gefängnis. Deine so genannten Beweise sind wertlos. Ein Stofftier, das du nach dreiundzwanzig Jahren aus dem Sarg genommen hast? Das kannst du nicht mit mir in Verbindung bringen.«
»Ich kann den Kieferbogen von Daddys Zähnen im latenten Blut auf Lenas Fell identifizieren.«
Er schürzt nachdenklich die Lippen. »Luke muss Lena gepackt und auf sie gebissen haben, um gegen den Schmerz anzukämpfen, nachdem du ihn erschossen hattest.«
»Versuch es erst gar nicht«, schnappe ich, doch ich kann sehen, wie Großvater einer Jury von Geschworenen diese Geschichte so aalglatt verkauft, wie er sich während seines ganzen Lebens stets verkauft hat.
»Anns Leichnam beweist, dass du sie sterilisiert hast«, sage ich leise. »Du hättest wahrscheinlich niemals damit gerechnet, dass man eine Obduktion an ihr vornimmt, oder? Jedenfallsnicht damals, 1958. Du hättest keine Seide zum Nähen benutzen sollen, Großvater.«
Er erhebt sich gelassen aus seinem Sessel und strafft seine Manschetten. »Catherine, du leidest offensichtlich unter Halluzinationen. Ann war besessen davon, schwanger zu werden, das weiß jeder. Sie ist zu allen möglichen Quacksalbern gegangen, um Fruchtbarkeitsbehandlungen an sich durchführen zu lassen. Sie war sogar in Mexiko. Gott allein weiß, welche Metzger sich an ihr versucht haben oder welche Behandlungen sie über sich ergehen ließ. Du wirst niemals beweisen, dass ich irgendetwas anderes getan habe, als ihren Appendix zu entfernen. Und selbst wenn – worin besteht mein Verbrechen? Unnötige Chirurgie?« Seine Augen leuchten vor Selbstvertrauen. »Man hat mich schon früher beschuldigt, unnötige Operationen vorgenommen zu haben, und ich bin jedes Mal sauber und nach Rosen duftend aus dem Verfahren gekommen.«
Ich hasse den Geruch von Rosen. Ich habe den Geruch gehasst, seit ich meinen Vater tot zwischen den Sträuchern habe liegen sehen …
»Hast du in letzter Zeit deine Medikamente eingenommen, Kind?«, fragt er scheinbar mitfühlend. »Vielleicht sollte ich mit deinem Psychiater über deine Medikation sprechen. Nimmst du noch Depakote?«
Ich war auf extreme Reaktionen vorbereitet, als ich dieses Büro betreten habe – Wut, Leugnen, Rationalisierungen, selbst Flehen –, doch diese überhebliche Zuversicht war nicht darunter. Er hat den Missbrauch nicht einmal abgestritten. Er entkräftet eine Anschuldigung nach der anderen, macht sie nieder, als würde er mit einem schlecht vorbereiteten Staatsanwalt spielen. Ich will seine Zuversicht erschüttern. Ich will sehen, wie sich der Wurm der Angst durch seine Eingeweide frisst und hinauf in dieses größenwahnsinnige Gehirn.
»Ich bin nicht diejenige, wegen der du besorgt sein solltest, Großvater«, sage ich zu ihm. »Es ist Dr. Malik, der dich festnageln wird.«
Großvater sieht erneut zu Billy Neal. »Das wäre ein ziemlich verblüffender Trick. Der gute Dr. Malik ist zufällig tot.«
Ein trockenes Kichern von Billy. Ich frage mich allmählich, ob es Billy Neal war, der Maliks Selbstmord im Thibodeaux Motel vorgetäuscht hat.
»Ob er tot ist oder lebendig, spielt keine Rolle«, sage ich mit einer Zuversicht, die ich bei weitem nicht empfinde. »Er wird aus dem Grab sprechen. Du wirst auf den Fernsehschirmen der Nation als das bloßgestellt werden, was du bist. Von Küste zu Küste.«
Weder Billy noch mein Großvater lachen jetzt, und ich danke Gott dafür. Würden sie es tun, könnte ich sicher sein, dass Dr. Maliks Film bereits vernichtet wurde. Doch das ist nicht der Fall – jedenfalls nicht durch Billy oder Großvater. Sie wussten bis eben nicht einmal etwas von seiner Existenz.
»Ich sehe, dass du nichts weißt von Dr. Maliks Dokumentation über sexuellen Missbrauch.«
Innerhalb eines Sekundenbruchteils ist der in die Enge gedrängte Wolf zurück. Ich höre ein leises Knarren
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