Bisswunden
Genau wie deine Mutter und Ann. Ihr seid das Produkt meines Blutes! Ihr wart mein! Und ich konnte mit euch tun, was ich für richtig hielt.«
Er geht zum Waffenschrank, dreht rasch am Kombinationsschloss und öffnet die schwere Tür. Dann nimmt er eine Waffe hervor und lädt sie gelassen mit einer Patrone aus einer Schachtel im Regal. Als er sich umwendet und zu mir kommt, erkenne ich die Remington 700, die meinen Vater getötet hat.
»Es ist immer noch so«, sagt er und sieht mir unverwandt in die Augen. »Du gehörst mir immer noch.«
Er schiebt die Patrone in die Verschlusskammer. »Was, wenn dieses Gewehr losginge?« Er hebt den Lauf, bis er keine dreißig Zentimeter mehr von meinem Gesicht entfernt ist. »Was, wenn der Schuss dein Gehirn im ganzen Zimmer verspritzt? Was glaubst du, was passieren würde?«
»Man würde dich wegen Mordes verurteilen.«
Großvater lächelt. »Tatsächlich? Ich denke nicht. Eine Frau mit deiner psychiatrischen Vergangenheit? Mit dokumentierter bipolarer Verhaltensstörung, mit instabiler Vorgeschichte, in der es wiederholt Selbstmorddrohungen gegeben hat? Nein. Wenn ich dich wirklich als eine Gefahr betrachten würde, Catherine, würdest du diesen Raum nicht lebend verlassen. Aber du bist keine Bedrohung. Oder, Catherine?«
Ich sollte nachgeben. Mich unterwürfig zeigen. Mich zurückziehen, meine Wunden lecken und den Kampf zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufnehmen. Doch ich kann nicht. Ich habe mich mein Leben lang vor ihm geduckt, doch daswerde ich nicht mehr tun. »Oh, ich bin eine Bedrohung, Großvater. Ich werde dafür sorgen, dass du im Gefängnis verrottest. Und lass dir eins gesagt sein: Wenn du mich jetzt umbringst – oder bevor ich lebend nach New Orleans zurückkehre –, wird jemand mit dir das Gleiche tun.«
Er sieht mich mehr interessiert als besorgt an. »Meinst du etwa Detective Regan?«
Ich spüre, wie alles Blut aus meinem Gesicht weicht.
In seinen Augen glänzt ein amüsierter Funke. »Catherine, glaubst du allen Ernstes, ich wüsste nicht, mit wem du dich in New Orleans triffst? Sean Regan gehört mir. Glaubst du ernsthaft, er würde mich aus Rache töten, wenn das dazu führt, dass Fotos, auf denen zu sehen ist, wie ihr wie die Tiere vögelt, an seine Frau und seine Kinder geschickt werden?«
Nein … nein, das würde Sean niemals tun.
»Falls der Film von diesem Malik, von dem du gesprochen hast, tatsächlich existieren sollte, tust du gut daran, ihn aufzutreiben und für mich zu vernichten. Ich würde die Vorstellung hassen, etwas tun zu müssen, das dich wirklich in Depressionen treibt.«
»Wovon redest du?«
»Die kleinen Tragödien des Lebens …« Er lächelt erneut. »Du hasst mich, weil ich so bin, doch eines Tages wirst du Gott dafür danken, dass mein Blut in deinen Adern fließt. Meine Gene sind es, die dein Schicksal bestimmen.«
Als ich endlich die Sprache wieder gefunden habe, ist in meiner Stimme keine Spur von Emotion. »Du irrst dich. Ich wünschte, ich wäre niemals geboren worden. Und was du nicht weißt – ich bin schwanger. Zum ersten Mal, seit ich es weiß, überlege ich, ob ich dieses Kind wirklich zur Welt bringen soll. Ich fühle mich verseucht. Vergiftet. Als könnte ich dein Gift niemals aus mir herauswaschen.«
Er senkt das Gewehr und tritt näher. Seine Augen leuchten. »Du bist schwanger?«
»Ja.«
»Junge oder Mädchen?«
»Ich weiß es nicht.«
Er greift nach meinem Arm. Ich reiße mich gewaltsam von ihm los.
»Langsam, Mädchen, ganz ruhig. Wer ist der Vater?«
»Das wirst du nie erfahren.«
»Sei nicht so. Du wirst dich schon wieder beruhigen. Du hast mehr von mir in dir, als du glaubst.«
»Was soll das heißen?«
Ein wissendes Grinsen. Ein Mann, der ein Geheimnis hütet. »Ich könnte dein Vater sein, Catherine. Ist dir das eigentlich bewusst?«
Bei diesen Worten verliere ich den Rest meiner Fassung. Mein ganzes Wesen löst sich in nichts auf. Das Gesicht meines Großvaters ist rot, wie es immer wird, wenn er auf der Insel nach Rotwild jagt.
»Luke hat seine ganze Zeit auf der Insel verbracht«, sagt Großvater. »Er war hinter diesem Niggermädchen her, dieser Louise. Und deine Mutter hat einfach nur schlafend in ihrem Zimmer gelegen, halb bewusstlos von Lukes Medikamenten.« Er nickt langsam. »Verstehst du nun?«
Der Triumph in seinem Gesicht ist vollkommen. Es ist der Triumph des Jägers, der über seiner sterbenden Beute steht. Er hat mir den Stahl ins Herz gerammt und den Griff
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