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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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muss?«, fragt er.
    Während ich das kalte Gewicht der Waffe in der Hand spüre, steigt vor meinem geistigen Auge ein Bild des blutigen Leichnams von Billy Neal auf. Ich kann noch immer sein heißes Blut im Mund schmecken. Könnte ich einer Frau so etwas antun?
    »Cat?«
    »Es wird nicht so weit kommen.«

64
    E vangeline Pitre wohnt in einem heruntergekommenen weißen Haus in der Mirabeau Street in Gentilly, einer Arbeitergegend mit einstöckigen holzschindelverkleideten Häusern unter hohen schattigen Bäumen. Es ist bereits vollkommen dunkel, als Sean den Volvo hinter einem schrottreifen Toyota Corolla am Bordsteinrand vor dem Haus parkt – einem Wagen, von dem Seans Partner uns eben sagt, dass er der Verdächtigen gehört. Sean beendet das Gespräch und steckt sein Mobiltelefon ein, während er das Haus mit dem geübten Blick des langjährigen Polizisten mustert.
    »Joey hat mit den Detectives geredet, die Pitre nach dem Mord an ihrem Vater befragt haben. Sie sagen, sie hätten kaum angefangen, Fragen zu stellen, als Kaiser auch schon aufgetaucht wäre und übernommen hätte.«
    »Das überrascht mich nicht«, antworte ich und versuche, mir meine Anspannung nicht anmerken zu lassen. »Glaubst du, Kaiser hat irgendetwas gespürt? Er war früher mal Profiler in Quantico, wusstest du das?«
    »Kann schon sein.« Sean sieht zur anderen Straßenseite, dann dreht er den Kopf zur hinter uns liegenden Kreuzung. Bevor wir hier geparkt haben, ist er zweimal die Straße entlanggefahren auf der Suche nach verräterischen Hinweisen für eine Observationsoperation. Er konnte nichts entdecken.
    »Wir sind ziemlich weit aus unserem Reservat heraus, Cat. So weit waren wir noch nie. Falls Kaiser Evangeline Pitre in Verdacht hat, könnten wir ihm ziemlich in die Quere kommen.« Er sieht mich mit ernstem Blick an. »Bist du immer noch sicher, dass du ihn nicht anrufen willst?«
    Ich erwidere seinen Blick streng und wortlos, dann steige ich aus dem Wagen und eile über den Bordstein zu der abgeschirmten Veranda. Ich höre das schnelle Klappern flacher Absätze, als er mir folgt.
    »Geh aus dem Licht«, sagt er.
    Während ich unter dem Dachvorsprung in der Dunkelheit stehe und warte, umrundet Sean das Haus einmal. Das vorherrschende Geräusch in dieser Gegend ist das ständige Summen von Klimaanlagen, hier und da durchdrungen vom dumpfen Plärren eines Fernsehers.
    »Nichts zu sehen«, sagt Sean, als er zurückkommt. »Sämtliche Vorhänge sind zugezogen.«
    Bevor er weitere Gründe anführen kann, noch zu warten, steige ich die drei Betonstufen zur Haustür hinauf und klopfe an der Tür.
    Im Innern ertönen rasche Schritte. Dann wird der Vorhang links von der Tür zur Seite geschlagen, und eine dunkle Silhouette taucht im Fenster auf. Ich habe keine Zeit, genauer hinzusehen, bevor der Vorhang wieder zugezogen wird.
    »Wer ist da?«, fragt eine dumpfe weibliche Stimme.
    »Polizei«, antwortet Sean mit seiner ganzen Autorität. »Bitte öffnen Sie die Tür, Ma’am. Ich kann mich ausweisen.«
    Wenige Augenblicke später klickt das Schloss, und die Tür wird, von einer Sicherheitskette gehalten, einen Spaltbreit geöffnet. Sean klappt seine Mappe auf und hält seine Polizeimarke durch den Spalt ins Innere.
    »Detective Sergeant Sean Regan, Ma’am. nopd-Morddezernat. Sind Sie Evangeline Pitre?«
    »Vielleicht.«
    »Ich war ein Freund Ihres Vaters, Ma’am.«
    »Ich erinnere mich nicht an Sie. Was wollen Sie?«
    »Sind Sie Evangeline Pitre?«
    »Ja. Worum geht es?«
    »Um den Mord an Ihrem Vater.«
    Eine kurze Pause. »Ich habe bereits mit Ihren Kollegen gesprochen. Und mit dem fbi.«
    »Dessen bin ich mir durchaus bewusst, Ma’am. Aber wir nehmen den Tod eines Kollegen sehr ernst. Wir müssen erneut mit Ihnen reden.«
    »Nun …«
    Die Tür schließt sich, um nach kurzem metallischen Rasseln wieder geöffnet zu werden. Dahinter kommt die Frau aus dem Foto zum Vorschein, das ich während der Fahrt hierher im Licht von Seans Beifahrerlampe studiert habe. Evangeline Pitre sieht älter aus als auf dem Bild. Trotz ihres französisch-katholischen Namens ist sie ihrer Erscheinung nach ein Mischling zwischen den früheren dunkelhäutigen Siedlern des Deltas und kaukasischen Weißen. Dunkle Augen und Haare und bleiche Haut und dünn bis zur Auszehrung. Die langen Haare hängen strähnig herab, als wären sie seit Tagen nicht mehr gewaschen worden, und an ihrem Hals ist ein purpurner Knutschfleck.
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagt sie. »Ich

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