Bisswunden
bin fast paranoid, seit es passiert ist. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Dürfen wir hereinkommen?«, fragt Sean.
»Wird es so lange dauern?«
»Es könnte. Ist Ihnen bewusst, dass wir es hier mit einem Serienmörder zu tun haben?«
»Das steht jedenfalls in den Zeitungen.« Pitre wirft einen zweifelnden Blick nach hinten, als wäre sie unwillig, uns Einblick in das Chaos zu geben, in dem sie lebt. »Müssen Sie denn wirklich reinkommen?«
»Wir würden es vorziehen, Ma’am. Sie wissen ja, wie neugierig Nachbarn manchmal sein können.«
Ein flüchtiges Aufblitzen von Hass in den Augen. Evangeline Pitre hat kein gutes Verhältnis zu ihren Nachbarn, so viel steht fest. »Also schön«, gibt sie schließlich nach. »Kommen Sie herein.«
Sie weicht zur Seite und lässt uns eintreten.
Die Haustür öffnet sich in ein kleines Vorzimmer. Ich habe eine Menge Häuser wie dieses in New Orleans gesehen. Eine Tür auf der Rückseite des Raums führt direkt in die Küche. Durch die Küche hindurch sehe ich eine Glastür, die nach draußen zu einem betonierten Hof hinter dem Haus führt. Zumeiner Rechten führt ein kurzer Flur zu zwei, höchstens drei Zimmern und einem Bad am Ende des Gangs.
Das Zimmer, in dem wir stehen, ist mit einem breiten Sofa und einem Plaudersofa mit Blumenmuster möbliert, die beide aussehen, als wären sie in einem Trödelladen gekauft worden. Das Sofa steht an der dem Eingang gegenüberliegenden Wand, mit einem kleinen rechteckigen Wohnzimmertisch davor. Das Plaudersofa steht an der rechten Wand und ist einem alten Fernseher auf der rechten Seite zugewandt, in dem irgendeine Dauerwerbesendung läuft. Außerdem gibt es einen La-Z-Boy-Liegestuhl, ebenfalls auf den Fernseher gerichtet, und an der Wand hinter mir einen alten Sekretär. In der Luft hängt Zigarettenrauch. Ich verfolge den Ursprung zu einer Zigarette in einem Aschenbecher auf dem Fußboden neben dem La-Z-Boy zurück.
Evangeline Pitre lässt uns nicht eine Sekunde aus den Augen. Sie ist langsam in das Vorzimmer zurückgewichen, dann hat sie die Arme verschränkt und ihren Weg, immer noch rückwärts, bis zum Sofa fortgesetzt, wobei sie ohne hinzusehen um den Wohnzimmertisch herummanövriert ist. Entweder ist sie in diesem Haus bereits aufgewachsen, oder sie lebt schon ziemlich lange Zeit hier.
»Möchten Sie sich setzen?«, bietet sie uns einen Platz an.
»Danke sehr«, sagt Sean. Er dreht den La-Z-Boy herum, sodass er aufs Sofa gerichtet ist, und nimmt darin Platz. Ich hocke mich auf die Kante des Plaudersofas, die Handtasche im Schoß, und kann meine Neugier kaum noch zügeln. Evangeline Pitre beugt die Knie und sinkt auf ihr Sofa herab wie ein Vogel, der bereit ist, jeden Augenblick aufzuflattern und zu flüchten.
»Miss Pitre«, setzt Sean an, »wir würden gerne …«
»Angie«, unterbricht sie Sean. »Nennen Sie mich Angie.«
Sean schenkt ihr sein charmantes Lächeln, doch der offizielle Ton in seiner Stimme bleibt. »Wie Sie meinen, Angie. Meine Kollegin hier ist eine forensische Spezialistin, die wirin Fällen wie diesem regelmäßig konsultieren. Sie hat eine Reihe von Fragen bezüglich der …«
Seine Worte verschwimmen in meinen Ohren zu einem bedeutungslosen Monolog. Er hält sich an die Vorgehensweise, die wir auf der Fahrt hierher vereinbart haben, doch jetzt, nachdem wir hier sind, halte ich es für reine Zeitverschwendung. Wir brauchen keine komplexen psychologischen Manöver, um diese Frau dazu zu bringen, dass sie sich uns gegenüber öffnet.
»Angie«, unterbreche ich Sean in vertraulichem Ton, »Detective Regan hier sagt nicht die ganze Wahrheit.«
Sean starrt mich entgeistert an und verstummt.
»Ich bin eine forensische Expertin, doch ich bin nicht gekommen, um mich mit Ihnen über Forensik zu unterhalten. Ich bin hier, um Ihnen zu erzählen, was wir bisher über diese Morde herausgefunden haben.«
Pitre blickt Sean beinahe Hilfe suchend an. Sein offizielles Gehabe hat ihr mehr zugesagt als die unverblümte Wahrheit aus meinem Mund. Doch Sean schweigt.
Ich stelle meine Handtasche vor mir auf den Boden und denke einen Sekundenbruchteil an den Revolver darin, dann verschränke ich die Finger vor den Knien und schenke Evangeline Pitre mein vertrauensvollstes Lächeln. »Angie, sind wir uns je zuvor begegnet?«
Sie schüttelt den Kopf.
»Ich war eine enge Freundin von Dr. Malik.«
Irgendetwas in ihrem Gesicht hat sich verändert. Was? Presst sie die Kiefer aufeinander? Versteift sie sich? Was
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