Bisswunden
Verwunderung den Kopf. »Wohin sind die Überlebenden entkommen?«
»Einige sind in die Sümpfe von Louisiana verschwunden. Andere zogen nach Norden, nach Arkansas. Manche kamen sogar bis Florida. Andere wurden nach Haiti in die Sklaverei verkauft. Die meisten Überlebenden gingen in den anderen Indianerstämmen auf, doch das beeinträchtigt mein Unternehmen nicht im Geringsten. Falls die Bundesregierung ihre Nachkommen als authentisch anerkennt, gilt jedes Gesetz, das für die Cherokee oder die Apachen gilt, auch für die Nachkommen der Natchez.«
»Wie viele von ihnen gibt es?«
»Elf.«
» Elf? Und das reicht?«
Er tippt entschieden auf sein Modell. »Absolut. Es gibt Stämme, die mit weniger überlebenden Mitgliedern anerkanntwurden. Dass es nur so wenige Überlebende gibt, ist schließlich nicht ihre Schuld, sondern die der Regierung.«
»Der französischen Regierung, in diesem Fall«, sage ich trocken. »Übrigens heißen sie nicht mehr Indianer, sondern Native Americans, eingeborene Amerikaner.«
Er schnaubt. »Es kümmert mich nicht, wie sie sich nennen. Aber ich weiß, was sie für diese Stadt bedeuten. Die Erlösung.«
»Das ist der Grund, warum du das machst? Um die Stadt zu retten?«
»Du kennst mich gut, Catherine. Ich garantiere dir, der Umsatz bei dieser Operation beträgt bis zu zwanzig Millionen Dollar im Monat. Aber ganz gleich, was du denkst – das ist nicht der Grund, warum ich das tue.«
Ich habe keine Lust auf eine der selbstgerechten Rationalisierungen meines Großvaters für seinen Ehrgeiz. »Zwanzig Millionen im Monat? Woher sollen denn so viel Leute kommen? Die Spieler, meine ich. Der nächste zivile Flughafen liegt neunzig Meilen von hier, und wir haben noch nicht einmal einen vierspurigen Highway von dort nach hier.«
»Ich kaufe das Flugfeld von Natchez.«
»Was?«
Er lacht. »Ich privatisiere ihn, genau genommen. Ich habe bereits eine Chartergesellschaft unter Vertrag, die Natchez anfliegen will.«
»Warum widersetzt sich das County nicht gegen dieses Vorhaben?«
»Ich habe ihnen gesagt, dass ich mit den Dienstleistungen Arbeitsplätze schaffe.«
»Es ist wie in Feld der Träume, hm? Du bist überzeugt, dass sie kommen, wenn du es baust.«
Er fixiert mich mit funkelndem Blick. »Ja. Aber es ist kein dummer, sentimentaler Traum. Die Menschen wollen Glamour und Stars, und ich gebe ihnen beides. Die Prominenz wird mit ihren Learjets in die Baumwollhauptstadt des Alten Südensfliegen und drei Tage am Stück Vom Winde verweht leben. Aber das ist alles nur Makulatur. Weswegen die Leute wirklich kommen, ist der alte Traum, etwas aus nichts zu machen. Als armer Schlucker herzukommen und mit den Taschen voller Geld zu gehen.«
»Das ist ein leerer Traum. Weil am Ende immer das Haus gewinnt.«
Jetzt zeigt sein Lächeln pure Befriedigung. »Da hast du allerdings Recht. Und dieses Mal sind wir das Haus, meine Liebe. Und im Gegensatz zu dieser Abscheulichkeit unten am Ufer, die den Bewohnern von Natchez die Schecks der Sozialfürsorge aus den Taschen zieht und den Profit direkt nach Las Vegas überweist, wird Maison DeSalle seinen Gewinn in Natchez belassen. Ich werde die Infrastruktur dieser Stadt wieder aufbauen. Als Erstes kommt ein hochmoderner Industriepark. Anschließend …«
»Was ist mit den Indianern?«, frage ich unverblümt.
Die kühlen blauen Augen versenken sich in die meinen, und ich spüre, wie er mich im Stillen tadelt. »Ich dachte, sie hießen heute eingeborene Amerikaner?«
»Ich dachte, du würdest meine Frage beantworten?«
»Diese elf Indianer werden mit zu den reichsten Einwohnern von Mississippi zählen. Selbstverständlich erhalte ich eine anständige Provision dafür, dass ich das Unternehmen in Gang gebracht und das Anfangskapital vorgeschossen habe.«
Jetzt begreife ich. Mein Großvater wird als der Retter von Natchez gefeiert werden. Und trotz des vorgeblichen Edelmuts seines Projekts fühle ich mich unwohl wegen der Art und Weise, wie er es anzugehen gedenkt. »Kann im Augenblick noch irgendetwas schief laufen?«
»Oh, das kann immer passieren. Jeder alte Soldat weiß das. Doch meine Kontakte in Washington haben mir versichert, dass die Anerkennung der Nation der Natchez durch die Bundesbehörden innerhalb der nächsten sieben Tage vorliegen wird.«
Ich entferne mich vom Pokertisch, und mein Blick fällt auf eine Flasche Absolut im offenen Sideboard.
»Sicher, dass du keinen Drink möchtest?«, fragt Großvater.
Ich schließe die Augen. Ich
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