Bisswunden
wie Röte in meine Wangen steigt. Mein Status als Liebling meines Großvaters war für mich stets mehr eine Bürde als ein Segen, und es rief regelmäßig Eifersucht bei meiner Mutter und meiner Tante hervor.
»Ich möchte dir etwas zeigen, Catherine. Etwas, das außerhalb von Atlanta bisher noch nie jemand gesehen hat.«
Er steht auf und geht zu einem großen Waffensafe, der in die Wand eingelassen ist. Mit präzisen Drehungen des Kombinationsschlosses öffnet er die Tür. Ich habe ein dringendes Bedürfnis, endlich nach New Orleans aufzubrechen, doch wenn ich irgendetwas über die Nacht herausfinden will, in der mein Vater starb, dann muss ich ein paar Minuten Geduld für meinen Großvater aufbringen. Großvater Kirkland rückt nichts ohne Gegenleistung heraus, ganz besonders nicht Informationen. Er ist Anhänger des Prinzips Quid pro quo. Dieses für jenes, sage ich mir im Geiste vor, aus dem Lateinischen übersetzend. Großvater war derjenige, der darauf bestanden hat, dass ich in der Schule Latein lerne.
Er hantiert an irgendetwas in seinem Waffenschrank, und ich muss an das denken, was Michael Wells über die Kraft meines Großvaters gesagt hat. Die meisten Männer altern zuerst in den Schultern und an der Brust, während ihre Muskeln schwinden, die Leibesmitte fülliger wird und die Knochen allmählich so brüchig werden wie die ihrer Frauen. Doch mein Großvater hat sich irgendwie die Fitness eines fünfundzwanzig Jahre jüngeren Mannes erhalten. Er ist Mitglied jener exklusiven Bruderschaft, die nur halb so schnell zu altern scheint wie der Rest der sterblichen Menschheit – eine epische Gestalt wie Charlton Heston oder Burt Lancaster.
Statt der kostbaren Antiquität oder Muskete, die ich erwarte,hält er ein großes architektonisches Modell in den Händen, als er sich schließlich wieder zu mir umdreht. Es sieht aus wie ein Hotel, mit zwei großen Flügeln, die einen Zentralbau im klassizistischen, vor dem Bürgerkrieg in Natchez so beliebten Stil einrahmen.
»Was ist das?«, frage ich, während er das Modell zu einem Pokertisch in der Ecke trägt.
»Maison DeSalle«, sagt er voller Stolz.
»Maison DeSalle?« Das ist der Name des Inneneinrichtungshauses meiner Mutter. Ich trete zu dem Pokertisch. »Das sieht viel zu groß aus, um Mutters Geschäft darin unterzubringen.«
Er kichert amüsiert. »Du hast völlig Recht, Catherine. Aber mir gefiel der Name. Dieses Maison DeSalle ist ein Hotel- und Casino-Komplex. Ein Resort.«
»Warum zeigst du mir das?«
Großvater deutet mit schwungvoller Geste auf das Modell wie ein Eisenbahnbaron, der auf die Karte des ganzen Kontinents zeigt. »In sechzehn Monaten von heute an steht dieses Gebäude mitten in Natchez, mit Ausblick auf den Mississippi.«
Ich blinzle ungläubig. Nach dem Gesetz muss jedes Casino im Staat Mississippi – selbst die Vegas-artigen Paläste an der Golfküste – auf einer schwimmenden Plattform errichtet werden. Natchez hat sein eigenes Riverboat-Casino, das am Fuß der Silver Street permanent festgemacht hat. »Wie ist das möglich? Verbannen nicht die Staatsgesetze das Spielen strikt auf das Wasser?«
Er grinst gerissen. Michael Wells hat Recht – mein Großvater weiß etwas, das sonst niemand weiß. »Es gibt ein Schlupfloch in diesem Gesetz.«
»Und das wäre?«
»Glücksspiellizenzen für Indianer.«
»Du meinst Glücksspiel in Reservaten, wie in Louisiana?«
»In Louisiana und ungefähr zwanzig weiteren Staaten. Wir haben bereits ein Casino in Mississippi. Oben bei Philadelphia. Es nennt sich Silver Star.«
»Aber es gibt kein Indianerreservat in Natchez.«
Großvaters Grinsen wird triumphierend. »Das wird es aber bald.«
»Wir haben keine Native Americans in Natchez.«
»Was glaubst du, woher diese Stadt ihren Namen hat, Catherine?«
»Von den Natchez-Indianern«, schnappe ich. »Aber sie wurden von den Franzosen 1730 massakriert. Abgeschlachtet, bis auf das letzte Kind.«
»Nicht ganz, meine Liebe. Einige konnten entkommen.« Er streicht mit seinen langen Fingern über das Dach eines Flügels des Modells, dann die Zentralsektion seines geplanten Casinos. »Ich habe die letzten vier Jahre damit verbracht, ihre Nachkommen aufzuspüren, und ich habe für dna-Analysen bezahlt, um ihre Blutlinie zu beweisen. Ich denke, das würde dich interessieren. Wir haben dreihundert Jahre alte Gebisse benutzt, um die Basis-dna zu bestimmen.«
Ich bin zu betäubt, um zu reden.
»Beeindruckt?«, fragt er.
Ich schüttele voll
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